01. Mit Herz und Hand. Mitgefühl in der Gemeinschaftsarbeit

Shownotes

In der Episode "Mit Herz und Hand – Mitgefühl in der Gemeinschaftsarbeit" spricht Maja Ellmenreich mit Schwester Klarissa Watermann und dem Sozialmediziner Gerhard Trabert über ihre Arbeit mit wohnungslosen und geflüchteten Menschen. Es geht um Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und die Umsetzung in konkrete Taten. Erfahren Sie, warum die persönliche Begegnung den beiden so wichtig ist und woher unsere Gäste die Kraft nehmen, sich so hingebungsvoll anderer Menschen anzunehmen.

Moderation: Maja Ellmenreich Redaktion und Konzeption: Paula Oster und Maja Ellmenreich Musik, Trailer & Postproduktion: Andi Otto Technik: Jan-Felix Klein, Matthias Krüger

Inhaltliche Impulse und Unterstützung: Sr. Josefa Thusbaß, Ulrike Rose, Manuela Kalsky, Paul Wennekes, Sr. Katharina Hemmers, Sr. Dagmar Fasel, Sr. Raphaela Jörger, Sr. Francesca Hannen, Sr. Emma Chinyama, Sr. Kathrin Schäfer, Sr. Ursula Hertewich, Sr. Hannah Rita Laue

Fragen und Anregungen gerne an: podcast@dominikanerinnen.net

Unterstützen und Spenden: Missionsdominikanerinnen, IBAN: DE48 7035 1030 0000 1044 30, BIC: BYLADEM1WHM, Sparkasse Oberland, Stichwort "Podcast".

Armut und Gesundheit in Deutschland e.V.

Klaras Küche

made by: kulturräume gestalten

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Einführung und Vorstellung

Mit anderen Worten, zwei Welten im Gespräch. Willkommen zum Podcast, in dem es um die großen Themen des Menschseins geht, unser Thema heute Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und die Kraft, beides in die Tat umzusetzen. Ich bin Maja Ellmenreich, bin Radiojournalistin und freue mich auf meine beiden Gäste, denen mangelt es an besagter Tatkraft wahrlich nicht. Sie haben schon vielen unterschiedlichen Menschen geholfen. Womit, wodurch und von was angetrieben, das möchte ich wissen, von der Sozialarbeiterin Schwester Klarissa Watermann und dem sogenannten Armenarzt Gerhard Trabert. Willkommen Schwester Klarissa hier in Köln bei mir im Studio. Wie schön. Und willkommen Gerhard Trabert, zugeschaltet aus Mainz. Guten Morgen. - Guten Morgen. Bevor wir so richtig ins Gespräch miteinander einsteigen, würde ich Sie beide gerne mit ein paar Worten vorstellen. Schwester Klarissa Wartermann hätte eigentlich den Bauernhof ihrer Eltern im Münsterland weiterführen sollen. Hat dann aber doch einen anderen Weg eingeschlagen. Sie ist 1977 in den Orden der Dominikanerinnen von Bethanien eingetreten. War Kinderdorfmutter, hat viele Jahre in der Bahnhofsmission in Frankfurt am Main gearbeitet und seit September 2021 leitet sie in Hamburg Klaras Küche. Das ist ein Begegnungsort, wo es Nahrung für Leib und Seele für Arme und Bedürftige gibt. Ja, das ist richtig. Und zu Gast ist Gerhard Trabert. Er ist Allgemein - und Notfallmediziner und Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie in seinem Arztmobil, einer fahrbaren Ambulanz, behandelt er in Mainz wohnungslose und Menschen ohne Krankenversicherung. Und er war als Krisenmediziner an zahlreichen humanitären Hilfseinsätzen im Ausland beteiligt, unter anderem in Afghanistan, Haïti in Nordsyrien und im Irak und bei der Seenotrettung von Geflüchteten im Mittelmeer. Auch das stimmt, Herr Trabert? Ja, das stimmt.

Ja, vielleicht nehmen wir erst mal gemeinsam Kontakt auf zu den Menschen, denen sie helfen. Herr Trabert, ich stelle mir vor, Sie stehen an Bord eines Seenotretters und nehmen Menschen in Empfang, die entkräftet und voller Angst aus einem Boot steigen, in dem Sie nach Europa kommen wollen. Reichen Sie die Hand? Wie nehmen Sie Kontakt auf? Ja, das ist schon eine sehr gute Frage, weil, also einmal möchte ich immer betonen, ich glaube, das kann sich niemand vorstellen, was es bedeutet, so ein Boot in der Weite des Mittelmeers zu entdecken, ein Rubberboot, ein Schlauchboot, wo dicht gedrängt, zum Beispiel 160 Menschen in diesem Boot sind. Außen sitzen meistens die Männer, so ein Fuß fast schon im Wasser und in der Mitte die Kinder und die Frauen in einem Gemisch aus Salzwasser, Fäkalien und Diesel. Und das ist für einen selbst, also für uns, die wir versuchen, für diese Menschen da zu sein, natürlich hochemotional, dieses Boot dann auch zu entdecken. Und dann ist das eben wichtig zu vermitteln, wir sind nicht von der libyschen Küstenwache. Wir sind nicht irgendein Boot, was sie jetzt wieder durch eine Pushbackaktion zurückdrängt. Deshalb nehmen wir dann erst selbst mit einem Schlauchboot quasi Kontakt auf. Wir fahren zu diesem Boot hin und wir haben zum Beispiel als eine ganz wichtige Strategie, dass die führende Person in diesem Schlauchboot von unserer Seite aus in der Regel eine Frau ist. Denn wenn eine Frau Kontakt aufnimmt, dann ist das für viele schon ein Hinweis, das kann nicht die lybische Küstenware sein, das kann kein Staat sein, der irgendwie negativ mit ihnen umgehen will. Das schafft schon mal Vertrauen. Das erste ist dann, dass wir sehr vorsichtig damit keine Panik entsteht, Schwimmwesten austeilen, denn 90 Prozent derjenigen können nicht schwimmen, die in diesen Booten sind. Wenn wir sie auf unser Boot dann bringen müssen, weil die Situation einfach zu gefährlich auf dem eigenen Boot ist, dann ist das immer wichtig, sie zu begrüßen. Wir sagen ja auch immer, es sind Gäste, sie kommen zu uns, wir vermitteln ihnen sofort, dass sie willkommen sind, dass sie jetzt in Sicherheit sind, dass wir uns um Sie kümmern. Ich als Arzt dann habe die Aufgabe halt auch zu schauen, gibt es irgendwie eine medizinische Herausforderung, gibt es eine Verletzung, gibt es eine Dehydrierung der Menschen, brauchen Sie sofort medizinische Hilfe. Und das ist, glaube ich, auf beiden Seiten ein hoch emotionaler Moment. Aber in dieser Situation versucht man natürlich zu funktionieren. Man hat eine Aufgabe und das wirkliche Verarbeiten findet dann häufig erst danach statt, dass man das mal reflektiert, was ist da hier nicht passiert. Ja, ich höre daraus ein vorsichtiges Herantasten, ein sehr überlegtes Herantasten. Schwester Klarissa, wir wechseln mal den Ort, wenn ein neuer Gast zu Ihnen in Klaras Küche kommt, sagen wir zur Lebensmittelausgabe, die einmal im Monat stattfindet, glaube ich. Ein Mensch, also der vielleicht auf der Straße lebt, dem das nötigste zum Leben fehlt. Was sagen Sie zur Begrüßung, zur Kontaktaufnahme? Einfach schön, dass Sie da sind. Schön, dass Sie zu uns kommen, dass Sie uns gefunden haben und wir wünschen Ihnen, dass Sie bei uns was finden, was Ihnen hilft, besser zu leben, dass Sie Menschen finden, die Ihnen gut tun, dass sie sich wohlfühlen in unserer Runde, an diesem Morgen, an diesem Nachmittag, je nachdem, wohin die Menschen dann kommen, dass sie sich angenommen fühlen. Dass sie auch womöglich, so hat es ja gerade Gerhard Trabert formuliert, auch die Angst nehmen, auch wenn es eine ganz andere Situation ist. Ist das auch ihr Ziel? Spüren Sie eine Angst, bei denen die kommen? Ja, so was fragendes – bin ich hier richtig? meistens sagen die Menschen, wollen sie meine Bescheinigung sehen, dass ich berechtigt bin, was zu bekommen. Und da sage ich, bei uns braucht man keine Bescheinigung. Wenn man findet, man möchte etwas haben, ich bin bedürftig, dann sind sie willkommen. Was ist Ihnen wichtig? Wie signalisieren Sie, dass Sie da sind und helfen wollen? Gehen Sie proaktiv auf die Menschen zu? Wenn jemand Neues reinkommt, oder lassen Sie die Menschen eher auf Sich zukommen. Also wenn ich erkenne, da kommt jemand Neues, gehe ich auf die Menschen zu. Wir laden die zum Beispiel in St. Franziskus erst mal in unseren Pfarrsaal ein, wo die Menschen Platz nehmen können. Und Menschen, die ich noch beim Reinkommen nicht so wahrgenommen habe, ich schaue mich dann um und gehe auf die Menschen zu und komme mit ihnen ins Gespräch.

Und dass sie eine Ansprechpartnerin sind, ist ja wahrscheinlich auch klar, weil sie Habit tragen? ja ich trage... Sie sind erkennbar. Wir tragen in unserer Ordnungsgemeinschaft unseren dominikanischen Habit als liturgisches Gewand, aber wir tragen den auch in Situationen, wo es uns angebracht scheint, ja zum Beispiel bei Demonstrationen, weil Demonstrationen sind für mich immer Gebet – da trag ich einen Habit und ich trage den auch an diesem Tag, wenn wir eine große Ausgabe in Klaras Küche haben. Ich glaube, das hilft den Menschen zu sehen, aha, die hat hier den Hut auf, die hat hier was zu sagen. Und ich glaube, dass das in den meisten Fällen vertrauenserweckend ist. Es gibt auch Situationen, wo das für die Menschen abstoßend wirkt, eine Ordensfrau zu entdecken. Aber mir scheint, wenn die Menschen wissen, hier, das ist eine Einrichtung von der Kirche, dass das Vertrauen macht, eine Ordensfrau erkennbar zu sehen.

Herr Trabert, Sie sind auch klar zu erkennen, als derjenige, der die die, ich sage jetzt mal, die sprichwörtliche, helfende Hand reicht. Sind Sie immer sicher in so einer Situation oder gibt es auch so was wie eine Unsicherheit, die Angst womöglich auch mal den nicht so ganz den richtigen Ton zu treffen? Wir sprechen jetzt gerade über den Seenotretter gesprochen, aber natürlich auch denjenigen, der in Mainz auf der Straße Wohnungslosen die Hand reicht. Also einmal bin ich jedenfalls nicht äußerlich zu erkennen, unbedingt, dass ich der Arzt bin, der Sozialarbeiter, denn ich trage in unserem Arztmobil also, in diesem aufsuchenden fahrbaren Sprechzimmer nie einen weißen Kittel, sondern ganz normale Kleidung, weil ich der Auffassung bin, das reduziert auch schon mal Distanz und schafft mehr Nähe. Ja. Ich mach das ähnlich. Also ich spüre häufig auch so eine Unsicherheit, wenn die Menschen zu mir ins Arztmobil kommen, wenn sie neu sind. Ich habe keine Krankenkasse, bin ich dennoch hier erwünscht? Darf ich hier rein? Und da bin ich auch proaktiv, frage, wir sind da mit dem Mobil, braucht jemand eine medizinische Versorgung? Ein Rat, dann können sie zu uns kommen. Und dann kommen die Menschen in dieses Arztmobil, das ist ja auch ganz schön, weil wir dann einen abgeschlossenen Raum haben, das schafft dann auch Intimität und Sicherheit. Natürlich bin ich auch manchmal unsicher, wie das ankommt.

Deshalb bin ich relativ offen, also ich duze niemanden zum Beispiel, ja, das ist auch mir ganz wichtig. Ich sieze jeden, um damit auch schon einmal Respekt und Würde in der Begegnung zum Ausdruck zu bringen und das Weitere entwickelt sich meistens dann durch das Gespräch, durch die Beziehung. Ich versuche dann auf denjenigen einzugehen wenn er Ängste hat, wenn er, wenn er wir haben ja auch Menschen, die eine psychische Erkrankung haben oder einfach hier, aufgrund auch ihrer Erfahrungen der, der Ablehnung, der Diskriminierung oft unsicher sind und da geht es wirklich darum, Nähe, Vertrauen erst mal herzustellen. Bei dem Wort Respekt und bei dem Zugang mit dem Sie, Schwester Klarissa, da haben Sie gerade ganz leise "Mhm", gesagt. Sie sind auch erst mal beim "Sie", also das sozusagen die Sprache und die Worte als Respekt sind Ihnen auch wichtig. Ja, das ist mir ganz wichtig. Das habe ich auch in der Bahnhofsmission in den Jahren immer so gesehen. Im Gegensatz, wenn die Polizei aufgerufen wurde, die duzen die Leute oder auch die Leute im Rettungswagen oft. Und dann tut mir das weh, weil ich denke, nein, jeder Mensch hat eine Würde und die muss ich respektieren, egal, wie dreckig und vollkommen dieser Mensch jetzt gerade wirkt. Der Mensch hat eine Würde. Dazu gehört auch, dass sie ... Erst mal die Entfernung, die dann vielleicht verringert werden kann, und dann kann man immer noch womöglich zum Du übergehen. Wir haben in Klaras Küche jede Woche Frühstück. Da kommen immer wieder die gleichen Menschen, und da ist eine so große Vertrautheit entstanden. Da sind wir inzwischen beim Du. Aber das muss wachsen. Also, die Sprache empfinde ich wirklich als ganz wichtig. Ich höre immer wieder in die Umschreibung "Sozial schwache". Und das ist für mich ein No -Go. Die Menschen sind nicht sozial schwach. Ich sage dann auch so ein bisschen provozierend "Sozial schwach" ist der Unternehmer der unter Umgehung der Mindestlöhne in Bangladesh, die Produkte herstellen lässt, aber doch nicht die alleinerziehende Mutter. Sie ist nicht sozial schwach, sie ist sozial benachteiligt. Oder wenn man von Schwäche sprechen möchte, „Einkommensschwach“. Oder Sie hören auch häufig die Umschreibung "bildungsferne Familien". Da sage ich immer, nein, die Bildungseinrichtungen sind so weit entfernt von der Lebensrealität der Familien. Ja, also unter Corona haben wir ja gesehen, wenn die Kinder zu Hause keinen Laptop, keinen Internetanschluss, keinen Drucker, kein eigenes Zimmer zum Lernen hatten, waren sie benachteiligt. Also die Sprache ist etwas ganz Entscheidendes und das fängt eben mit dem Sie, mit diesem Respekt, den man den Menschen gegenüber vermittelt an. Und ich sehe das genauso, wenn die Polizei und wenn der Rettungsdienst häufig kommt, immer sofort dieses duzen. Und das ist der erste Punkt, wo Menschen nicht mehr wirklich mit dem gebührenden Respekt begegnet wird. Mir fällt gerade dazu noch was ein mit der Sprache, dass die Gäste untereinander auch, wenn wir die so würdevoll ansprechen, auch miteinander in einem anderen Ton umgehen. Eine Frau kommt zum Beispiel zum Frühstück und sagt, „ich bin auch Hartz IV“. Da sagt eine andere Frau, „du bist nicht Hartz IV, du lebst von dem Geld von Hartz IV“. Da hat sie gesagt, „das tut mir so gut, dass das jemand so zu mir sagt“. Also ein ganz gutes Auseinanderhalten zwischen der Person und der Lage, in der sich diese Person befindet. Das Wort "selbst" verschuldet ist ja auch eines, was in dem Zusammenhang immer wieder auftaucht. Ist das ein Wort, was Sie beide benutzen würden? Also sozusagen der Hinweis darauf, dass jemand womöglich selbst dazu beigetragen hat, in einer Notsituation zu sein? Das ist für mich nicht wichtig, sondern der Mensch ist jetzt in dieser Situation und braucht jetzt Unterstützung und braucht jetzt eine gute Zeit und die soll er bei uns bekommen. Was da vorher war, ist völlig egal. Ich nehme an, Herr Trabert, so sehen Sie es auch.

Ja, ich würde noch einen Schritt weitergehen. Also ich finde selbst verschuldet. das geht mir einfach viel zu weit, weil es schon in die Richtung geht, du bist an deinem Schicksal absolut nur selbst verantwortlich. Das ist so eine Individualisierung von Armut, von Ausgrenzung und das lenkt eben von gesellschaftsstrukturellen Faktoren ab, die einen Mensch in so eine Situation bringen. Ja, also wir haben zu wenig bezahlbare Mieten. Der soziale Wohnungsbau wurde vernachlässigt. Auch jetzt die Diskussion über Bürgergeldbezieher. Das ist so etwas diskriminierendes, stigmatisierendes. Das ist ein Recht, das die Menschen haben. Und das sind soziale Transferleistungen, die eben diese Gesellschaft ausmachen, die mit zu einer sozialen Gerechtigkeit, wollte ich jetzt sagen, zu etwas mehr sozialer Gerechtigkeit beitragen. Und immer wieder erlebe ich auch gerade mit dem Thema Selbstverschuldung eine Schuldzuweisung und, wie gesagt, eine Individualisierung der Gesamtproblematik. Und wenn jemand, ich will das ja gar nicht ausschließen, wenn jemand in seinem Leben irgendeine Entscheidung getroffen hat, die nicht so gut war. Wer gibt uns das Recht, ihn darüber zu definieren? Ja, auch dann, wie das Schwester Watermann gesagt hat, ist es an uns immer wieder zu sagen, hier, das spielt keine Rolle. Ich begegne Ihnen genauso respektvoll, wie sonst jemanden. Ja, das macht für mich keinen Unterschied. Aber gerade der Punkt, dass mit dieser Terminierung, Terminologie, mit dieser Sprache, Menschen zusätzlich an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, das finde ich fatal. Und das machen ja momentan gerade auch ganz schön viele politisch Verantwortliche.

ich brauche jemanden, der mir hilft beim Einkaufen. Ich habe so viele Kinder ich kann diese Lebensmittel nicht tragen ich im Kinderwagen sitzen schon zwei Kinder, ich krieg die nicht nach Hause und dann haben wir angefangen zu sagen, wir gründen etwas wo wir diesen Familien helfen und da ist dann aus Klaras Küche heraus schon ein neues Projekt entstanden das heißt „Grüne Aue“, wo wir Familien helfen wollen und zwar angelehnt an den Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte, er wird mich führen auf eine grüne Aue." Wollen wir den Familien etwas anbieten, was in unserer Macht steht, und es gibt Paten aus den Gemeinden jetzt, die sagen, ich mach da mit bei grüner Aue, ich bin Patin in einer Familie und ermögliche da in der Familie, was die brauchen. Und das ist nochmal ein neues tolles Projekt, dass auch die Alleinerziehenden, wenn die jetzt kommen, sind die ganz anders drauf. Die fühlen sich nicht mehr so unbedingt als Bittsteller, sondern ich gehöre dazu. Und es ist toll, dass ich hier Hilfe bekomme. Sie haben sich ganz konkret am Bedarf orientiert. Sie haben zugehört und haben nicht ihr Hilfsmodell auf Teufelkommraus durchgesetzt, sondern das war ihnen wichtig, dass sie genau die Hilfe leisten, die auch gebraucht wird. Ja, das ist wichtig, das Gespräch und zu fragen, was braucht ihr? Und das ist was anderes, jetzt komme ich wieder zu meinem Wort "Mitgefühl".

Das Wort "Mitgefühl" trifft vielleicht da viel besser als zum Beispiel ein Wort "Mitleid", das treffen würde. Ist "Mitleid" etwas, was sie auch empfinden oder was sie lieber nicht empfinden wollen? Also ich bin ja Dominikanerin und von Dominikus wird gesagt, Dominikus hatte Mitleid mit den Sündern und Dominikus hat seinen Brüdern gesagt, ihr seid bedacht auf das Heil der Menschen und für mich ist heute dieses Mitleid von Dominikus ist für mich Mitgefühl und das Heil für die Menschen zu suchen und zwar ganzheitlich, für körperlich, geistig und seelisch, den Menschen Heil werden zu lassen, das irgendwie zu versuchen. Und ich sage mal in der Sozialarbeit -Ausbildung damals im Studium ist es natürlich ganz verpönt zu sagen, ich habe Mitleid mit den Klienten. Es geht gar nicht. Und ich sage, ich bin Dominikanerin. Ich habe von mir aus dieses Wort Mitgefühl. Das darf nicht dahin führen, dass mich das ausbrennt. Das kann ich nicht machen, wenn ich nicht ausbrenne. Aber ich glaube, dass ich ein anderes Empfinden habe für diese Menschen, wenn ich einfach ein Stück mit fühle, wie mag es dem anderen Menschen gehen, dass ich mich ein bisschen in ihn reinversetze und mir hilft das Gelübde der Armut dabei, dass ich sage ganz bewusst, habe ich mich entschieden, nicht im Reichtum mitzuschwimmen, sondern einen einfachen Lebenstil zu haben. Und ich muss selber meine Münzen umdrehen, um durchzukommen in einem Monat. Und das kann ich ein bisschen fühlen. Aha, so fühlt sich das an. Wenn ich nicht, ich weiß nicht, in welche Urlaube fahren kann, nicht in den Zoo gehen kann, weil das ist in Hamburg zum Beispiel sehr teuer, das können die anderen Menschen auch nicht. Und dann kann ich sehen, an der Stelle sollte man irgendwie eine Idee entwickeln, um für diese Menschen optional anders da zu sein. Herr Trabert, Sie haben mal so was wie ein Selbstversuch gemacht.

Sie haben mal einige Zeit in einer obdachlosen Siedlung gelebt. Was hat sie da am meisten überrascht? Was war für sie die größte Lehre? Ich konnte Vorurteile abbauen. Also das war gar nicht so einfach, überhaupt in diese Siedlung hineinzukommen, weil da wurde man ja nur über das Sozialamt eingewiesen. Wir haben dann mit dem Sozialdezernenten gesprochen, haben erzählt, dass das im Rahmen unserer Diplomarbeit geschieht, um eben selbst zu erfahren, was es bedeutet, in dieser Siedlung zu leben und dann durften wir das. Ja und dann ist es natürlich schon etwas ganz anderes, wenn man – die Siedlung ist zwischen zwei Bahnlinien angeordnet – ständig die Züge hört, wenn man halt die Ratten durch die Siedlung laufen sieht.

Wenn man weiß, die Duschen gibt es nur im Keller und wir waren im dritten Stock. Wir haben Bewerbungen mit dieser Anschrift, mit unserer Vita versandt und da war klar, es ist keine Antwort gekommen, weil jeder in der Stadt wusste, dieser Absender bedeutet, dass derjenige in dieser Siedlung wohnt. Also ganz klare Formen der gesellschaftlichen Benachteiligung, aber auch das Leben dort ist dann unheimlich schwierig. Die Wände waren ganz dünn, aber die Hilfe untereinander, die Wertschätzung, das war was ganz Positives, was wir erfahren haben. Und ich hatte dann auch selbst so bestimmte Ängste, wo ich dann durch den Kontakt – und das ist ja häufig so – diese Ängste abbauen konnte. Ich wollte noch was sagen zu Mitgefühl und Mitleiden. Ich finde, das ist wirklich etwas Elementares in helfenden Berufen. Ich kann als Arzt nicht immer mit leiden, weil ich kann nicht immer mitsterben. Das geht nicht. Ich muss eine gewisse Distanz schaffen, aber die Distanz darf nicht so weit sein, dass ich nicht mehr mitfühle. Und das ist ein individueller Prozess, weil ich auch bei Kolleginnen und Kollegen oft festgestellt habe, dass sie dann zu sehr in die Distanz gegangen sind. Und dann zu wenig... finde ich, emphatisch mitfühlen konnten, was der Patient oder der Klient gerade für sich erlebt. Aber das muss jeder für sich allein finden, diesen Weg. Zu viel darf es nicht sein, an Distanz, zu eng bei demjenigen zu sein. Da ist natürlich auch die Gefahr von Burnout dann sehr nahe.

Ich komme noch mal auf das Wort Burnout und Ausbrennen zurück. Das haben Sie beide jetzt benutzt, Herr Trabert. Sie sind ja Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden und in den sogenannten helfenden Berufen ist die Burnoutquote sehr hoch. Ist die Zahl derer, die irgendwann so erschöpft sind, dass sie nicht mehr helfen können, sehr, sehr groß? Kennen Sie selbst auch diesen Zustand? Also diesen Zustand kenne ich persönlich Gott sei Dank noch nicht, weil ich schon versuche darauf acht zu geben, auf mich auch zu achten, dass ich immer wieder Phasen habe der Regeneration. Also für mich ist es unheimlich wichtig, ich habe früher Leichtathletik gemacht, ich bin viel gelaufen und ich laufe auch jetzt noch drei- bis viermal die Woche durch die Weinberge, 30, 40 Minuten und immer, wenn ich das Gezwitscher der Vögel wieder bewusst wahrnehme, habe ich das Gefühl, jetzt bin ich wieder hier.

Ja, also jetzt habe ich Dinge während des Laufens verarbeitet, nochmal im inneren, vor dem innen Auge vorüberziehen lassen, Gespräche mit Freunden, auch mal Musik hören, zu tanzen. Also das ist ganz wichtig. Ich habe bei meinen Studierenden , das war auch eine interessante Erfahrung, da habe ich einen, ein Seminar, immer lange Zeit angeboten, autogenes Training. Und dann wurde ich von meinen Kolleginnen und Kollegen gefragt, für welche Klientenkruppe willst du das denn anbieten? Und dann habe ich gesagt, für die Studierenden, ja die Sozialarbeit studieren. Ich möchte sie sensibilisieren, dass sie auf sich achten. dass sie wirklich schauen, wo holen sie sich Regenerationszeiten. Wie geht es Ihnen, Schwester Klarissa? Wie regenerieren Sie sich? Also ich bin einfach froh, im Ordensleben kommt es automatisch vor, dass man Pausen einlegt, und zwar Pausen mit Gott. Das hilft mir sehr, in diesem Rhythmus zu sein, mit Gott täglich im Gespräch zu sein und zum Beispiel nach einem Tag, wo mir viel Elend begegnet ist, Menschen, die mich sehr berührt haben, kann ich die Abends im Gebet vor Gott hinlegen und sage so, ich habe jetzt was getan für diese Menschen und jetzt bist du dran, ich geb dir die weiter. Und das entlastet mich sehr, zu wissen, ja, irgendwie Gott wird Wege finden, um das, was ich angestoßen habe, irgendwo weiterzuführen. Ich gebe mir mich jetzt in die Ruhe. Und ich lebe, finde ich, sehr im "jetzt". Also, ich fahre dann gerne Fahrrad zur Arbeit, hin und zurück. Ja, dann höre ich auch die Vögel singen. Die Natur wahrzunehmen ist sehr, sehr gut. Aber ich bin in der Stadt, ich bin gerne, obwohl ich auf dem Land geboren bin, ich bin jetzt eine Stadtfrau geworden. Und wenn ich zum Beispiel in den Bahnen, in den Bussen bin, denke ich mir, lieber Gott, alle diese Menschen, die ich hier sehe, und die kommen in Hamburg aus so vielen Kulturen und Nationen und Religionen, alle diese Menschen hast du gewollt und jeden liebst du, jeden magst du. Jeder Mensch, klein und groß, hat eine Geschichte und Sorgen mit dem eigenen Leben und die möchte ich dir alle bringen und ich bete in diesen Bahnen und Bussen für diese Menschen, die vor mir sind. Und das macht mir ein gutes Gefühl zu denken, ja ich gebe sie Gott und das hilft mir nicht auszubrennen. Ist das eine Mischung aus Entlastung für Sie, aber auch was Gutes tun für diejenigen, die ja namenlos zum Beispiel im Bus Ihnen gegenüber sitzen? Ja, ich habe das Gefühl, ich bin mit Gott sehr vertraut und Gott ist der Schöpfer/Schöpferin des Lebens und hat einfach diese ganzen Menschen im Blick, die in der Gesellschaft oft einfach runterfallen. Gott sieht diese Menschen und ich möchte mit Gott in diese Welt gucken und diese Menschen auch sehen.

Vielleicht schauen wir beide oder wir drei nochmal gemeinsam darauf, wo Hilfsbereitschaft, wo womöglich eine Selbstlosigkeit, die Ihnen beiden auch unterstellt wird, im positiven Sinne, woher die herkommen. Also, wie selbstlos ist die Selbstlosigkeit eigentlich? Das beschäftigt ja Philosophinnen und Soziologen seit Jahrzehnten, Jahrhunderten, möchte man fast sagen. Was würden Sie sagen, Herr Trabert, wie selbstlos ist das, was Sie machen? Das ist überhaupt nicht selbstlos. Nein, das… Ich schöpfe, ja, und das ist mir immer ganz wichtig, immer wieder zu betonen, unheimlich viel Energie. und Kraft aus dieser sehr authentischen Form und intensiven Form der Begegnung. Das ist nicht nur ein Geben, es ist auch ein Bekommen. Es ist etwas, was das Leben unheimlich bereichert. Ja, also es ist ja eben schon angesprochen worden, Menschen aus so vielen unterschiedlichen Kulturen kennenlernen zu dürfen. Und wissen Sie, ich habe die Erfahrung gemacht, ich war als Arzt lange Zeit auf einer onkologischen Station, also einer Krebsstation und ich habe dann sehr viele Menschen treffen, begegnen dürfen, die in existenzieller Armut oder in Gefahrsituationen lebten. Und all diese Menschen hatten eines gemeinsam, dass Begegnung, dass Kommunikation sehr intensiv war, sehr authentisch. Es ging nicht, wie man so schön

sagt, mein Haus, mein Auto. Es wurde nicht über irgendetwas Materielles sich definiert, sondern über das Menschsein, das was ein jetzt so wichtig ist. Und zwar das Wichtigste, finde ich, ist Beziehung, ist Begegnung. Und ich benutze ja auch da gern Begriff, den es noch gar nicht in der deutschen Sprache gibt, den Begriff der Gleichwürdigkeit. Der ist von Jesper Juul, das ist ein dänischer Familientherapeut, der immer wieder sehr, finde ich, sehr interessant geschildert hat, was sind die Bedingungen für eine sehr gute Beziehung von Eltern zu ihren Kindern? Und da hat er diesen Begriff genannt, den gibt es so in anderen Sprachen, aber nicht in der deutschen Sprache. Aber genau dieser Begriff, der Gleichwürdigkeit drückt für mich diese intensive Form des Respektes, des Begegnens auf beiden Seiten aus. Vielleicht ganz kurz zwei Begegnungen, die das noch illustrieren. Ich war in Idomeni, das war ein großes Flüchtlingscamp, 10 .000 Menschen an der Grenze von Griechenland zu Nordmazedonien. Wir haben die Menschen dort medizinisch versorgt. Und dann kommt ein Vater mit seinem Sohn zu mir, zeigt die Kommunikation über einen Dolmetscher, mir die Schusswunde seines Sohnes, die Granatsplitterverletzungen von ihm, alles verheilt, in Anführungszeichen, jedenfalls körperlich, aber er sagt, wir können kaum noch schlafen und wir denken immer wieder an diese Ereignisse in Syrien und ich vermittle dem Dolmetscher, ich kann das so gut nachvollziehen, aber ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann. Und dann nimmt dieser Mann mich in den Arm und sagt, Doktor, ich danke dir, dass du mir zugehört hast. Ja, und das ist natürlich was unheimlich dichtes. Und noch eine andere schöne Geschichte, und ich könnte viele diese Geschichten erzählen. Wir sind mit diesem Arztmobil in einer Unterkunft für geflüchtete Menschen, es ist Sommer, es ist heiß, wir haben schon viele Patienten behandelt. Ich geb zu, ich bin so ein bisschen am Limit, bin ein bisschen genervt. Dann klopft noch jemand an die Arztmobiltür. Ich mach die Türe auf und da steht eine afghanische Mutter mit ihrer Tochter mit Tee und Gebäck und sagt, Doktor, du brauchst eine Pause. Ja, und das sind so Begegnungen, die mir unheimlich viel geben.

Ja, Schwester Klarissa, Sie kennen das auch, dieses "Danke", was dann nochmal ein besonders gutes Gefühl gibt, oder brauchen Sie das gar nicht? Also, mir ist es gut, wenn ich sehe, den Menschen geht es besser. Das ist für mich ein Dank. Ja, ich sag mal, für mich war ein Stück, ein Motiv in den Orden einzutreten, dass ich das Wort "suche zuerst das Reich Gottes" , das hat mich sehr getroffen. Habe ich gedacht, ja, das kann ich machen. wenn ich zum Beispiel in einem Orden lebe und nicht selber eine Familie gründe und, sondern ich kann mich total mit Gott verbünden und sagen, da arbeite ich dran. Ich arbeite, das Reich Gottes auf dieser Erde kommt und das bedeutet für mich, dafür zu Sorge zu tragen, dass viele Menschen, dass alle Menschen eigentlich gut leben können und diese Welt auch noch für die kommenden Generationen da ist. Und das ist so ein Motor, da ist viel zu tun. Das ist politische Arbeit, strukturelle Arbeit, damit da was anderes passiert auf dieser Erde. Und es ist konkrete Hilfe. Also ich habe jahrelang auch eher politisch gearbeitet und jetzt arbeite ich eher konkret mit den Menschen. Aber das muss man beides sehen. Und das ist ein Motor, der immer weitergeht. Es gibt ein Wort unseres Mitbruders Jerry, der in El Salvador gelebt hat. Das Leben in Fülle will nur gelingen, wenn es Leben für alle gibt. Und das ist einfach so ein Motor, der in mir läuft und läuft und läuft. Und wenn ich das ein bisschen sehe, hier passiert etwas. Hier ist etwas von dem umgesetzt, was ich wollte, was ich mit meinem Leben will. Dann geht es mir gut. Und das Helfen, die Hilfsbereitschaft, ist auch was sehr, sehr dominikanisches, oder? Also Dominikus ist eher ein Mann der Kontemplation zuerst gewesen und hat sich dann aber den Menschen zugewandt und gesehen, damals gab es viele Irrlehrer,  die  Katharer  und  Waldenser,  die  das  Leib  sein,  eher  vernachlässigt  haben.  Und das denke ich, das ist das. Aus dem Gebet heraus, auf die Menschen zuzugehen, dann sehe ich, was brauchen diese Menschen. Und ja, und dann entsteht schon was.

Sie beide, Herr Trabert und Schwester Klarissa, Sie beide sind sehr handfest konkret sozusagen mit ihrer Hilfe bei den Menschen, engagieren sich aber auf ihre jeweilige Art und Weise auch politisch. Das hören wir auch aus ihren Worten heraus. Hinter allem habe ich ja den Eindruck steht, das große Wort Gerechtigkeit, können sie Schwester Klarissa sagen, woher ihr Gerechtigkeitssinn kommt? Ich habe es vorhin angedeutet, ihr Weg war eigentlich als Hoferbin vorbestimmt, so hatten es ihre Eltern für sie bestimmt. Hat das irgendwie in ihnen, ich will nicht sagen Widerstand geweckt, aber hat das ihren Gerechtigkeitssinn befördert? Ja, insofern, dass es klar war, ziemlich schnell, dass ich den Hof weiterführe. Das reicht, wenn ich Volksschule mache und dann einfach zu Hause bin und den Hof weiterführe. Ich habe aber für mich entdeckt, dass ich unglaublich gerne etwas wissen möchte, dass ich weiter lernen möchte, dass ich mich weiterentwickeln möchte, dass für mich das nicht reicht, einfach nur auf dem Land mit den Pflanzen und den Tieren zu leben. Und da gab es in der Berufsschule damals, weil sich in dieser Bäuerinlehre war, einen Aufsatzwettbewerb, gleiche Bildungschancen für alle?? Und da habe ich mir dann vom Leder geschrieben, dass es das im Grundgesetz gibt, aber dass ich in einer traditionellen Bauernfamilie aufgewachsen bin, wo das gilt, dass das Traditionsrecht ist wichtiger als diese Bildungschancen, die mir verwährt wurden damals erst mal. Aber gut, ich bin ja dann dazu gekommen durch meine Lehrfrau auf einem anderen Bauernhof, die mit meinem Vater gesprochen hat, gesagt, die kann noch etwas anderes neben den Bäuerinnen sein machen und so ist für mich Entwicklung entstanden. Herr Trabert, Ihre Lebensbeschreibung auf der Webseite beginnt mit einer, ja ich möchte mal sagen, mehr oder weniger Pointe. Da schreiben Sie nämlich, aufgewachsen bin ich in einem Mainzer Weisenhaus, aber als Privilegierter, denn mein Vater arbeitete dort als Erzieher. Haben Sie, wir haben es gerade bei Schwester Klarissa gehört, haben Sie dort auch sozusagen Vorbilder gehabt, was Gerechtigkeit anging? Ist das bei Ihnen so der Kern? Ja, ich habe im Prinzip als Kind zwei Sachen erfahren. Einmal, wie gut es mir geht. geht, dass es mir besser geht als all meinen Spielkameradinnen. Ich habe mehr zu Weihnachten geschenkt bekommen zum Geburtstag, ich konnte mit meinen Eltern in Urlaub fahren, das konnten sie alle nicht. Und dann habe ich in der Schule erlebt, dass wenn irgendetwas passiert ist, waren es sehr schnell die Heimkinder. Und das empfand ich als absolut ungerecht und ich kam mir ja so hilflos vor, nichts dagegen tun zu können als Kind. Ja, ich bin ja schon ein bisschen älter. In der damaligen Zeit, da gab es noch den Rohrstock und alles Mögliche. Und da war man schon sehr verängstigt. Und ich glaube, ich habe eins aber mitgenommen. Als Erwachsener lässt du diese Ungerechtigkeit nicht mehr zu. Du machst etwas dagegen, wenn Menschen so behandelt werden. Und eins hat mich auch noch sehr geprägt, die Geschichten meines Vaters von meinem Großonkel, der nämlich Nationalsozialismus, Sozialdemokrat, Antifaschist war, der immer davon geträumt hat,

dass Hitler endlich verliert und er dann triumphierend durch die Stadt ziehen kann. Er ist leider im Krieg dann auch gestorben. Er war im KZ Osthofen, hier in der Region und diesen Mut, dieses Mannes in diesem totalitären System so für Werte einzustehen, für Demokratie, ja, das hat mich auch sehr geprägt. Und ich sage immer als letztes soziale Gerechtigkeit ist die Bewährungsprobe jeder Demokratie.

Wie vermittle ich auch dieses Thema soziale Gerechtigkeit meinen Studierenden. Und da ist es mir wichtig, immer wieder zu betonen, wir müssen Haltung zeigen. Haltung definiert über Inhalte und wir müssen Stellung beziehen. Und da ist für mich, das Buch der Bücher, die Menschenrechte. Also Menschenrechte zählen für jeden in jeder Situation und müssen immer eingehalten werden. Das ist mir ganz wichtig. Noch zu Ihrer Frage: Manchmal gibt es auch Berührungsängste und die haben häufig, glaube ich, damit zu tun, dass man gar nicht so sehr die Gruppe, denen man helfen möchte oder müsste, kennt und dann entstehen Vorurteile. Dann entstehen irrationale Ängste. Aber in der Begegnung mit Betroffenen werden Ängste abgebaut und dann kann häufig noch mehr Unterstützung und Hilfe stattfinden. Ja, mir fällt da gerade auch eine Geschichte bei unseren Frühstücksrunden ein, da kommt immer eine Frau zum Frühstück, die eher zu den Reichen dieser Stadt gerechnet werden kann. Die erzählt dann von ihren sechs Kreuzfahrten im Jahr, die sie macht. Und mit welchen tollen Autos sie da fährt und so. Und daneben sitzen am Tisch Menschen, die auf der Straße leben. Und ich achte immer sehr darauf, dass wir einander zuhören. Und die Frau ist unglaublich glücklich und sagt, ich komme, weil ich kann mit diesen Menschen sonst nicht sprechen. Hier ist eine Situation, da hören wir voneinander etwas. Und die Menschen, die auf der Straße leben, müssen sich anhören, was man auf einer Kreuzfahrt erlebt. Und umgekehrt möchte die Frau aber tatsächlich auch was von diesen anderen Menschen hören und mit denen sprechen können. Und das ist so ein gepflegter Rahmen, sag ich mal, wo das geht. Und ich finde das wunderbar. Das war nicht geplant, aber das kommt jetzt dabei raus. Das solche Kontakte und solche Beziehungen entstehen. Also das Miteinander, diese Begegnung zu fördern, ist das Ihnen auch ein Anliegen? In diesem Fall klingt es eher nach Zufall, dass es so gekommen ist. Aber versuchen Sie das zu fördern, wo es nur geht? Also das kam jetzt, die Frau kam irgendwann zum frühstücken dazu und am Anfang dachte ich, die könnte jetzt mal was bezahlen hier dafür, ja tut sie auch, also die steckt auch immer was Geld ein, aber es ist sehr schön, dass sich solche Dinge ergeben.

Dass die Begegnung groß ist, das ist Ihnen, Herr Trabert, ja auch wirklich ein sehr großes Anliegen, dass die Menschen die Welten in Anführungsstrichen, in dicken Anführungsstrichen, dass die Welten einander begegnen. Wer soll was lernen? Wer soll daraus welchen Nutzen ziehen? Alle Seiten. Also Begegnung bedeutet in aller Regel, wenn sie vorurteilsfrei geschieht. Manchmal vielleicht auch, wenn Vorurteile bestehen, dann werden sie eben abgebaut. Aber das ist doch etwas, was für jeden bereichernd ist, wenn er offen ist, genau, wenn er offen ist für diese Form der Begegnung des Zuhörens, des Lernens voneinander. Und gerade Begegnung, finde ich, das ist auch noch ein wichtiger Aspekt, gerade für Menschen, was Schwester Klarissa gesagt hat, die eben nicht eine Kreuzfahrt machen können, aber tun wir es mal etwas noch lebensnaher formulieren, die eben nicht in den Fußballstadion gehen können, nicht in ein Konzert gehen können. Und da ist es uns wichtig, wir haben hier mit Mainz 05 zum Beispiel die Vereinbarung, dass sie uns Freikarten für wohnungslose Menschen geben. Und das machen viele Bundesliga-Vereine. Wie wichtig, das merke ich immer im Kontakt zu den Betroffenen, wie wichtig es für sie ist, in diesem Stadion sein zu können, ein Teil von allen sein zu können und das miterleben zu können. Wir haben hier mit dem Theater schon gesprochen, dass es hier auch umsonst Theaterkarten oder verbilligt gibt. Das gibt es auch in manchen Städten in Weimar, ist das so, dass es da wirklich so Kontingente gibt, damit diese Partizipation, diese Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen, die eben wenig finanzielle Ressourcen haben, wieder stattfindet und dann findet eben auch eine ganz wichtige Form der Begegnung statt. Also der Geschützte Raum, Schwester Klarissa, ist wichtig. Bei Klaras Küche ist es ein geschützter Raum, aber die Teilhabe, der Kontakt, der Austausch genauso wichtig? Ja, ja. ja, Mir persönlich habe zum Beispiel die Erfahrung von Straßenexeriztien sehr auch geholfen. Beschreiben Sie, was das ist? Das ist also normalerweise, machen wir Exerzitien, das sind besondere intensive Zeiten, mit Gott zu leben und sich auf das eigene Leben und mit Gott zu besinnen. Und das ist dann irgendwann entstanden, das auf der Straße zu suchen, Gott auf der Straße zu finden. Weil Jesus hat gesagt, ich bin der Weg. Und wenn ich auf der Straße bin, begegne ich Gottes Geschichten und Gott rührt mich auf der Straße an und ich lebe in so einer Woche von Straßenexerzitien eher mit den Menschen auf der Straße und ich mach das in einer fremden Stadt meistens und da kennt mich niemand. Ich kann mich einfach mal zu den Obdachlosen auf die Straße setzen und einfach mit ihnen mal leben. Ich gehe dahin zum Duschen, wo die duschen. Ich gehe dahin zum Essen, wo die auch essen. Und reflektiere das und ich erlebe bei diesen Menschen irgendetwas, was mich bereichert. Ich habe das Beispiel, dass ich dann mal bei Flaschensammlern auf der Straße saß und dann haben wir irgendwas geredet und habe mich, glaube ich, etwas abfällig über jemanden geäußert und dann hat einer von den Flaschensammlern zu mir gesagt und man muss nur hingucken. Man findet in jedem Menschen etwas sehr Gutes. Jeder Mensch hat einen guten Kern. Und wenn mir das ein Mensch von der Straße sagt, den ich eigentlich sonst nicht angucken würde, das hat ein ganz anderes Gewicht, wenn so ein Wort von so einem Menschen zu mir kommt, als wenn ich das irgendwie von der Kanzel höre in der Kirche. Das hat mich getroffen, das behalte ich. Und da gehe ich mit weiter. Was ich mit den Menschen auf der Straße erlebe, ist so wertvoll, dass ich eine hohe Achtung entwickle vor diesen Menschen, die in Armut leben, auch in Klaras Küche, die vielleicht nicht unbedingt auf der Straße sind, aber die das schaffen, ihr Leben hinzukriegen. Dass ich denke, ich glaube, ich hätte es schwieriger. Ich habe einen ganz stabilen Hintergrund im Orden. Und das hilft mir, dass ich gut leben kann. Aber wie müssen sich Menschen oft anstrengen durchzukommen und die das schaffen, auch mit psychischen Krankheiten umzugehen? Da kann ich nur alle Achtung sagen. Und ich lerne etwas von diesen Menschen, die bereichert mein Leben.

Das ist nämlich Ehrfurcht. Aber ich hab das Gefühl, sie lernen was über sich, sie lernen was über die Welt. Und es führt zu einer gewissen Demut, zu einer gewissen Ehrfurcht? Ja, dass ich wirklich bereichert werde von diesen Menschen. Aber dann umgekehrt der Auftrag an mich, dass ich meine Gaben einsetze um Ihnen das Leben ein bisschen besser zu machen, leichter zu machen. Damit schließt sich sehr schön, finde ich, der Kreis, weil in unserem Gespräch immer wieder das Gespräch, die Begegnung, der Austausch, so wie wir es jetzt zu Dritt gepflegt haben, aber auch, wenn ich Ihren Worten zuhöre, wirklich als der Schlüssel der Begegnung und auch der Hilfsbereitschaft und der Hilfe herauskommt. Deswegen würde ich gerne zum Schluss nochmal den Titel unseres Podcasts zitieren mit anderen Worten, zwei Welten im Gespräch. Herr Trabert, was war neu für Sie aus der Welt, vielleicht von Schwester Klarissa aus der Welt der Dominikanerinnen und der Hilfsbereitschaft und der Arbeit dort? Was werden Sie womöglich mitnehmen aus unserem Gespräch? Ich glaube vieles. Also was für mich schon immer wieder auch beeindruckend ist, die Verwurzelung im christlichen Glauben und wie intensiv dieser Glaube Kraft spendet und eben im positiven Sinne auch ein Kampf gegen Ungerechtigkeit mitfördert. Ich denke da häufig auch an die Befreiungstheologie und ich finde, dass Christen in unserer Gesellschaft meines Erachtens noch viel mehr gegen diese soziale Ungleichheit tun müssten und Schwester Klarissa tut das. Und das ist toll. Schwester Klarissa, an Sie die Frage, was wird womöglich bei Ihnen aus unserem Gespräch nachklingen? Was haben Sie von Herrn Trabert gehört, erfahren, was Sie noch mal zum Nachdenken anregen wird? Also erst mal habe ich eine große Nähe gespürt, so mit dem, was wir wollen mit unserem Leben und was wir tun und welche Erfahrungen wir machen, dass da doch viel Ähnliches ist. So ganz am Anfang, Ihre Geschichte, das wusste ich nicht, dass Sie auch auf den Booten sind, um die Menschen vom Meer zu retten. Diese Geschichte, das Sie mit einer Frau vorangehen, um die Geflüchteten anzusprechen. Das hat mir große Achtung gemacht und eine gute Idee, die, ich sag mal, das Weiche, was eine Frau rüberbringen kann, das auch einzusetzen, um in Konfliktsituationen mit Menschen ja einfach so ein Hilfeangebot zu geben. Für mich selbst als Frau zu gucken, wo kann ich auch mit meiner Weichheit und Zartheit Menschen erreichen und das zu nutzen. Ich möchte gar nicht von großen Komplimenten sprechen, aber ich weiß gar nicht, welches andere Wort ich finden soll. Dafür, was Sie einander gerade gesagt haben. Mit anderen Worten. Zwei Welten im Gespräch. Heute stand unser Podcast unter der Überschrift "Mit Herz und Hand". Wir haben über Mitgefühl in der Gemeinschaftsarbeit gesprochen und zwar mit Schwester Klarissa Watermann vom Orden der Dominikanerinnen von Bethanien und mit dem Allgemein - und Notfallmediziner Gerhard Trabert. Herzlichen Dank Ihnen beiden, Herzlichen Dank Herr Trabert, Ihnen nach Mainz und Herzlichen Dank Schwester Klarissa hier in Köln.

Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann freuen wir uns, wenn Sie diesen Podcast abonnieren, weiterempfehlen und uns an Ihren Gedanken und Themenvorschlägen teilhaben lassen. Schicken Sie uns einfach eine Mail an podcast@dominikanerinnen.net Mein Name ist Maja Ellmenreich und ich sag bis bald.

Kommentare (1)

Helga Blaschke

Der Auftakt ist sehr gelungen! Das Thema ist hochaktuell in unserer belasteten Zeit und es ist heilsam, endlich einmal konkret zu hören, was an Gutem geleistet wird - Nachrichten, die im Medien-mainstream fast komplett fehlen! Auf die Präsentation gefällt mir gut - vor allem auch, dass das Transskript zum Nacharbeiten vorliegt. Danke und weiterhin viel Freude bei der Vorbereitung!

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