05. Zwischen Alleinsein und Verbundenheit: Über Einsamkeit und Gemeinschaft
Shownotes
Im Podcast "Zwischen Alleinsein und Verbundenheit" sprechen die Schlehdorfer Missionsdominikanerin Schwester Josefa Thusbaß und Kulturjournalist Moritz Holfelder über das Spannungsfeld zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft. Es geht um spirituelle Krisen, gesellschaftliche Vereinsamung, die heilende Kraft des Alleinseins sowie genossenschaftliches Wohnen. Schwester Josefa teilt persönliche Einblicke aus ihrem Klosterleben, ihren spirituellen Überzeugungen und ihrer Leidenschaft für die Fotografie. Ein inspirierender Austausch über den Wert von Beziehungen und die Bedeutung, das Anderssein des Anderen zu schätzen.
Moderation: Moritz Holfelder Redaktion und Konzeption: Paula Oster Musik, Trailer & Postproduktion: Andi Otto Technik: Julian Scheuffler, Südpark Studio München
Inhaltliche Impulse und Unterstützung: Sr. Josefa Thusbaß, Ulrike Rose, Maja Ellmenreich, Manuela Kalsky, Paul Wennekes, Sr. Katharina Hemmers, Sr. Dagmar Fasel, Sr. Raphaela Jörger, Sr. Francesca Hannen, Sr. Emma Chinyama, Sr. Kathrin Schäfer, Sr. Ursula Hertewich, Sr. Hannah Rita Laue
Fragen und Anregungen gerne an: podcast@dominikanerinnen.net
Unterstützen und Spenden: Missionsdominikanerinnen, IBAN: DE48 7035 1030 0000 1044 30, BIC: BYLADEM1WHM, Sparkasse Oberland, Stichwort "Podcast".
made by: kulturräume gestalten
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Willkommen bei mit anderen Worten, zwei Welten im Gespräch. In der heutigen Folge beleuchten wir die zwei Seiten einer Medaille, das Alleinsein und das Leben in Gemeinschaft. Wir sprechen über Einsamkeit als Herausforderung und über Zurückgezogenheit als Quelle kreativer Energie, werfen einen Blick auf gesellschaftliche Tendenzen der Vereinsamung und fragen, welche neuen Ansätze, wie etwa genossenschaftliches Wohnen, können dem entgegenwirken.
Ganz herzlich begrüßen darf ich dazu die Missionsdominikanerin Schwester Josefa Thusbaß vom Kloster Schledorf in Oberbayern, ganz in der Nähe des Kochelsees. Hallo. Grüß Gott und guten Morgen meinerseits.
Mein Name ist Moritz Holfelder, ich arbeite als Kulturjournalist für verschiedene Radiosender der ARD, schreibe Bücher zur Kulturgeschichte und bin als Fotograf tätig. Das bist du auch Josefa. Ich bin auch Fotografin immer, aber keine berufsmäßige.
Aber da werden wir nachher noch drüber sprechen. Ich habe für diese Folge die Moderation von meiner Radiokollegin Maja Ellmenreich übernommen und das ist nicht die einzige Veränderung. Wir werden dieses Gespräch heute ohne eine dritte Person gestalten, die sonst immer teilnahm bei "Zwei Welten im Gespräch".
Das heißt, wir führen es heute zu zweit. Ich repräsentiere die eine, die säkulare Welt und Schwester Josefa die andere, die Welt der Religion und des Glaubens.
Josefa, ich würde zu Beginn gerne von dir wissen, welche Rolle spielt Individualität im Leben als Dominikanerin? Also schon durch das Gewand wird bei Nonnen wie bei Mönchen ein Zeichen der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Orden geschaffen, eine Verbindung. Dann gibt es die gemeinsamen Rituale im Tagesablauf. Ihr wohnt zusammen unter einem Dach und doch hat natürlich jeder sein eigenes Reich. Welches Konzept von Individualität, also auch von Alleinsein, lebst du?
Also Individualität spielt eine sehr große Rolle, weil mit vielen Individuen baut sich ja die ganze Vielfalt eines Klosterlebens auf. Und das ist, wie man weiß, aus der Geschichte und auch heute noch sehr breit gefächert. Es wäre traurig, wenn alle einstimmig gleich wären. Das würde nichts Neues und nichts Interessantes aufbauen.
Von außen wahrgenommen ist es ja eben auch, wie ich sagte, durch das Gewand, gibt es so eine Form von Uniformität in der Wahrnehmung. Das trifft gar nicht zu. Also ihr seid genauso eben individuell unterschiedlich und individuell tätig wie jeder andere auch.
Wie jeder andere auch. Also da ist kein Unterschied, würde ich sagen. Wir bilden uns aus in Individualität im Laufe des Lebens verstärkt, wie bei anderen Menschen auch.
Ja, ich bin nicht gläubig, ich bin nicht religiös. Ich bin der, wie gesagt, säkulare Teil dieses Gesprächs. Ich stelle mir immer vor, wie ein Leben im Kloster genau funktioniert. Ich wollte das immer auch selber mal erleben. Also es gibt ja so diese Möglichkeit des Klosters auf Zeit. Habe das bisher nie geschafft. Vielleicht schaffe ich das noch. Welche Form von Einsamkeit erlebst du denn im Kloster? Also ist das so wie im normalen Leben bei mir auch, dass ich in einer Familie mich auch manchmal einsam fühle oder unter Freunden? Wie ist das bei dir?
Also uns hält ja zusammen eine Idee und eine Aufgabe. Das ist ja uns das Wichtigste, sodass hier eine starke Gemeinsamkeit entsteht. Wir leben auch zusammen und sind nicht unbedingt befreundet immer. Das muss gar nicht sein. Aber wir leben mit Absicht im religiösen Sinne zusammen. Wir beten zweimal tags zusammen und das schmiedet auch zusammen. Und man kann sich ja mal vorstellen, dass wir auch Zwistigkeiten und dies und jenes haben. Aber wenn ich dann am Abend da sitze und die andere sitzt drei Stühle weiter beim Gebet, dann denkt man sich, ach was soll's. Vergessen wir es wieder. Ist vorbei.
Wie ist das überhaupt mit dem Beten? Also ist das eine Form von Gemeinschaft, die da entsteht? Oder ist das beim Beten eher, dass man bei sich ist, bei Gott ist? Also ist es eher ein individuelles Erleben, was man aber in Gemeinschaft miteinander verbringt?
Es ist beides. Man betet gemeinsam meistens die gleichen Texte, weil man ja sonst ein Durcheinander hätte. Aber man ist auch individuell. Jede für sich oder jeder in Männerorten genauso. Jede für sich ganz individuell dabei, empfindet ihr eigenes, denkt ihr eigenes und die gemeinsamen Worte fördern das ganze Zusammenleben dann. Man ist nicht allein und trotzdem betet man auch zugleich allein.
Wir haben am Anfang ja schon angesprochen, diesen Unterschied, den es gibt zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Wie würdest du diesen Unterschied für dich benennen? Was bedeutet Alleinsein und was bedeutet Einsamkeit?
Also Alleinsein ist eigentlich sehr oft ein Glücksfall, wenn man es schafft, gerade in einem Kloster, dass man allein ist und einmal für sich ist und sein eigenes Denken und Ruhen für sich hat. Und Einsamkeit würde ich einfach mit Schmerz verbinden. Wenn Menschen einsam sind, dann sind sie, leben sie, schreit irgendwas in ihnen. Bis hin dazu, dass der Körper zu schreien beginnt in der Einsamkeit. Während das Alleinsein eigentlich ein heilender Vorgang ist.
Und wie ist das mit diesem spirituellen Einsamsein oder Alleinsein? Kann man da von einer Einsamkeit auch sprechen, spirituell, also im Dialog mit Gott, im Glauben? Oder ist das eben dann auch im Sinne einer gewollten Einsamkeit? Oder ist das auch eher ein Alleinsein, dieses In-sich-gehen, die Einkehr, auch der stille Dialog eben mit Gott? Wie fühlt sich das an?
Einsamkeit würde ich es nicht bezeichnen. Es ist ein Alleinsein. Aber es kann durchaus auch einmal zur Einsamkeit werden. Es ist auch im Religiösen möglich, dass einem wie der Boden unter den Füßen wegklappt und dann man plötzlich denkt, ja, gibt es diesen Gott überhaupt? Ich sehe und höre und spüre nichts davon. Und dann gibt es diese einsamen Phasen, die Finsternis, die finstere Nacht, so sagt Edith Stein davon. Die dunkle Seele der Nacht. Ja, genau. Das gibt es natürlich. Aber man hofft nicht, dass es eintritt. Aber wenn es eintritt, kann man es ja auch nicht verhindern.
Darf ich dich fragen, ist das bei dir schon eingetreten, so ein spiritueller Zweifel und damit auch eine Einsamkeit?
Ja, ist es auch schon eingetreten. Ich habe so meine Phasen gehabt. Ich bin ja nebenbei Naturwissenschaftlerin von der Ausbildung her. Und dann manchmal klappt es dann weg, weil ich denke, ja, bilde ich mir das Ganze nur ein? Was steckt dahinter? Und plötzlich kann es sein, dass Tabula rasa ist, nichts mehr da ist von dem. Und dann heißt es warten, abwarten, weiterdenken, bis das Wasser wieder zu fließen beginnt. Ja.
Ich stelle mir das eh ungemein spannend vor bei dir, also auch auf eine gewisse Art und Weise faszinierend paradox, also Naturwissenschaftlerin zu sein. Und die Naturwissenschaft leugnet ja mehr oder weniger die Existenz von Gott und gleichzeitig gläubig und Nonne. Das finde ich, ist eine spannende Kombination.
Also ich denke, die Naturwissenschaft leugnet nicht Gott, sondern sie sagt nichts über Gott. Wenn sie ihn leugnet, dann macht es der einzelne Naturwissenschaftler für sich. Das ist eine persönliche Angelegenheit. Sie kann nichts über Gott sagen. Aber ich bin der Meinung und das ist meine Beobachtung, diese Welt ist ja irgendwie entstanden. Und ich meine, diese Welt ist ein Ergebnis des Geistes. Diese Welt ist die Manifestation des Geistes. Und der Geist ist etwas Zeitloses, Ewiges. Man kann es Gott nennen, aber man muss es nicht Gott nennen. Man kann es auch einen anderen Namen geben. Es gibt so viele Namen für diese göttliche Kraft. Wir sagen halt Gott. Der Franzose sagt schon wieder ganz anders. Der Buddhist nennt es anders. Das kann man so lassen. Aber dahinter steht für mich immer dieses große Etwas, das wir nicht fassen können.
Das steht für mich natürlich genauso dahinter. Also ich nenne es dann die Schöpfung oder eben eine Kraft
Wenn man schon eine kleine Zelle oder… Jetzt wieder Heisenberg habe ich gestern gelesen. Wer von uns kann denn so etwas erfinden? Das gibt es ja gar nicht. Da ist ein Geist dahinter. Und dieser Geist hat es in die Welt gebracht, hat es manifestiert. Und wir müssen das anerkennen, so meine ich.
Und wir sind eben in dieser schöpfenden Kraft, wie wir sie dann auch immer nennen wollen, letzten Endes, also das denke ich oft in meinen sozusagen dunklen Stunden allein auf der Welt. Also jeder ist letzten Endes für sich allein in seinen Gedanken, in der Nacht, im Traum. Klar gibt es die Gemeinschaft und die ist mir auch eben andererseits sehr, sehr wichtig. Aber das Alleinsein können auch ist ein sehr wichtiger, finde ich, Faktor im Leben.
Aber ich glaube, wir gehören alle zusammen. Wir sind ein Korpus oder ein Geistwesen alle zusammen mit Vergangenheit und Zukunft. Wenn man schon bedenkt, dass die Zeit hier im Weltall Orte gibt, wo es gar keine Zeit gibt, dann gibt es doch die Zeitlosigkeit. Und diese Zeitlosigkeit wird uns irgendwann einmal wieder erfassen.
Inwieweit beschäftigst du dich denn als Naturwissenschaftlerin auch mit dem Kosmos, also mit sozusagen dem Weltall, dem Urknall, all dem, was uns mitgeschaffen hat und was ja nach wie vor existiert in irgendeiner Form um uns herum? Und soweit wir ja wissen, sind wir bisher allein im All. Ist nicht erwiesen. Naja, es gibt noch keinen Beweis für sozusagen das Andere oder das Gegenteil. Aber es gibt eben kein anderes Leben, was wir bisher gefunden hätten im Weltall. Also nicht dem unseren entsprechend oder anderen organischen Formen des Lebens entsprechend. Beschäftigst du dich damit auch?
Sehr intensiv sogar, ja. ich mache manchmal Einkehrtage auch bei Frauengruppen. Und da fange ich naturwissenschaftlich an einfach einmal, um die ganze Größe zu zeigen. Wir sind ja, man kann sagen, Sternenstaub sind wir von unserem Wesen her.
Jedes Atom in uns existiert ja nur, weil es durch Sternexplosionen hindurchgegangen ist. Irgendwo draußen im Weltall und ist zu uns gekommen. Und bei uns hat es sich vereinigt dann zu einem Körper und zu einem menschlichen Wesen. Aber wir sind dadurch in Verbindung mit dem ganzen Weltall. Wir sind nicht so einsam, wie wir uns manchmal fühlen.
Also es gibt ein Leben draußen, kann man sagen.
Ja. Das Leben ist überall, denke ich. Wenn der Geist überall ist, ist das Leben auch überall.
Man braucht die Momente innerer Einkehr. Ich suche diese Momente immer wieder auch bewusst. zum Beispiel bei Spaziergängen, wenn ich allein in der Natur unterwegs bin oder wenn ich allein verreise. Und oft ist dann diese Konfrontation mit sich selbst nicht einfach, aber es ist durchaus heilend, würde ich sagen. Das sind keine Momente, die ich mir wünsche, aber die ich brauche. Wir haben sehr wenig Gelegenheit in unserer heutigen modernen Gesellschaft, diese Ruhe zu finden. Und dann gibt es eben die Gemeinschaft, in der wir alle irgendwie ja auch sind, die eine ganz eigene Dynamik hat, die uns natürlich mehr von außen bestimmt, wo wir nicht so selbstbestimmt sein können, wo vieles vorgegeben wird oder einfach passiert. Mir erscheinen diese beiden Zustände oft wie so Wechselduschen. Und wie ein Kneippbad sozusagen ist es für mich auch sehr belebend. Und wir haben ja vorhin schon so ein bisschen gesprochen über diesen Rhythmus, den man da finden sollte zwischen allein sein und in der Gemeinschaft sein. Wie gestaltest du das für dich? Suchst du bewusst das Alleinsein oder kann man das einfach, gibt es sowieso genügend Raum im Kloster dafür? Das ist mir nicht so ganz klar. Also ich muss da oft um diesen Moment des Alleinseins kämpfen.
Ja, das glaube ich gerne in der heutigen Welt. Aber ich bin sehr gerne alleine und ich brauche das auch sehr dringend, immer dieses Alleinsein. Aber ich habe mir das angewöhnt, abends für mich in Anspruch zu nehmen. Wir haben ja im Kloster eine eigene Kapelle, den Ort der Ruhe und der Stille, in dem Raum, in dem immer gebetet wird. Und dieses Fluidum, das bleibt ja irgendwie im Raum. Und abends, wenn meine Mitschwestern längst ins Bett gegangen sind, so um 10 oder 11 Uhr, dann gehe ich in die Kapelle. Manchmal bis zu einer Stunde sogar. Und da lasse ich dann alles, wegschwimmen von mir. Und bei Eckhardt gibt es ja schon den Hinweis, dass man in sich hineingehen muss, um sich selbst zu finden. Und wenn man sich selbst findet, findet man auch Gott, sagt er. Und gestern habe ich mal drüber nachgedacht, das finde ich recht interessant. Wenn man in die Tiefe bohrt, um einen Brunnen zu finden, dann findet man nicht stehendes totes Wasser, sondern fließendes Wasser. Und dort unten ist das Wasser, das weiter fließt, woanders schon geflossen ist, so ein richtiges Brunnen, frische Quelle, Brunnenwasser. Und dann kommt man wieder in den gemeinsamen Fluss herein. Man geht in die Stille, in die Ruhe, und dort unten kommt man wieder in den Gesamtfluss.
Ich würde gerne noch mal auf diese dunkle Seele der Nacht zu sprechen kommen und das, wenn dir das recht ist, auch noch ein bisschen vertiefen, weil ich das ja als einen sehr, sehr spannenden Moment empfinde. Also nicht in dem Moment selbst, aber im Nachhinein, wenn man durch solche Krisen gegangen ist. Bei dir sind es dann Glaubenskrisen oder spirituelle Krisen, bei mir sind es allgemeinere Seinskrisen. Wie kommt man da wieder raus? Du hast das vorhin so schön einfach gesagt, man muss einfach warten. Das würde ich gerne noch ein bisschen genauer wissen. Also was bedeutet dieses Warten? Heißt das einfach, du sitzt ohne Aktion in einem Raum oder in der Natur und wartest? Oder gibt es dann doch eine gewisse Form der Bewältigung im Sinne dass man doch im Denken oder im Handeln irgendeine Aktivität entwickelt, dass man irgendwas dagegen setzt? Wie genau schaut das aus?
Mir fällt eine solche Krise ein, wenn ich die kurz einmal anreißen darf. Wir glauben ja ganz fest, dass wir sinnvoll geboren sind und sinnvoll durchs Leben gehen und dann auch unser Ende sinnvoll ist, zukunftsorientiert. Und durch Beobachtungen zum Beispiel, dass Menschen krank geworden sind, geboren sind mit Krankheiten und so weiter. Irgendwann hat sich bei mir der Gedanke festgesetzt, lieber Gott, vielleicht stimmt das alles gar nicht, was du dir da vorstellst. Vielleicht sind wir alle wirklich nur Probestücke. So wie ein Schreiner ein Probestück anfertigt und wenn es nicht passt, wirft er es wieder weg. Vielleicht sind wir alle bloß Probestücke, die noch gar nicht die richtigen Endgültigen sind. Vielleicht werden wir einfach weggeräumt, wenn wir vorbei sind.
Und wie lange dauert dann so ein Warten bei dir? Also bei mir hat es schon längere Zeit gedauert, bis ich wieder sozusagen aufgesprungen bin in eine zuversichtliche Lebenssicht, ja. Und da warst du schon eben im Kloster und das heißt, dass du dann trotzdem an diesen täglichen Ritualen teilnimmst, also dem gemeinsamen Beten, dem Essen, dem Gemeinsamen oder zieht man sich dann ganz zurück?
Ich habe mich einfach miteinander in die Kirche gesetzt und habe gesagt, lieber Gott, wenn es dich gibt, ich weiß nicht, ob es dich gibt, ich mache einfach mal mit. Wenn du da bist, dann musst du dich bemerkbar machen, wenn nicht, dann werden wir weitersehen.
du warst 20 Jahre lang Leiterin der Mädchen-Realschule in Schlehdorf, hast 30 Jahre lang Physik und Mathematik als Naturwissenschaftlerin unterrichtet und hast natürlich so auch immer wieder Einblicke gehabt in das Leben junger Menschen, also deiner Schülerinnen. In dieser Zeit, wie hast du da diese Gefühle des Alleinseins oder auch der Einsamkeit bei Jugendlichen mitbekommen? Also ich kann mich selber noch erinnern, dass ich mich vor allem eben dann in der Jugend, also in der Pubertät teilweise sehr, sehr allein gefühlt habe. Manchmal schmerzlich allein und bisweilen aber auch durchaus frohgemut allein. Wie hast du das als Lehrerin wahrgenommen bei deinen Schülerinnen?
Ich habe die genau in der Pubertätszeit gehabt und das war immer die interessante Zeit und meiner Beobachtung nach, wie ein Kind aus der Pubertät rausgeht, so wird es nachher in den nächsten Jahrzehnten. Ich weiß nicht, ob ein ganzes Leben lang, aber das sind sehr wegweisende Jahre und in dieser Zeit, wo sie die Richtung suchen, diese jungen Menschen, sind sie sehr allein. Ein großes Suchen, wo schließe ich mich an, welche Lebenstendenzen nehme ich an, sind meine Eltern überhaupt, denen ich so lange geglaubt habe, diejenigen, denen ich auch weiterhin alles glauben kann. Und da gibt es dann die ersten Abbrüche von Eltern. Also wird gesehen, dass Eltern nicht hundertprozentig sind. Das erzeugt auch Einsamkeit und dieser Ablösungsprozess ist ein sehr harter Prozess gewesen. So habe ich das immer erlebt. Und sehr oft sind sie dann auf uns Lehrer und Lehrerinnen zugegangen und haben dort den Kontakt geknüpft, um weitere Blicke oder Möglichkeiten für die Zukunft zu suchen. Und das war immer sehr spannend. Das waren immer sehr große Diskussionen und Gespräche.
Gemeinsame Diskussionen oder Diskussionen dann zwischen dir und einer Schülerin?
Auch innerhalb der Klasse. Die sind manchmal in der Klasse ausgebrochen. Wenn sie 17, 18 oder 16, 17 waren, dann sind diese Diskussionen manchmal in der Klasse ausgebrochen. Da hat dann eine reingeschrien, ist doch alles Unsinn, glaubt doch kein Mensch. Und dann waren wir in der Diskussion. Und dann hat man auch gemerkt, dass altersgemäß weit auseinanderklaffen. Die einen sind noch im ganzen ruhigen Zustand des Elterndaseins, zu Hause sein, und die anderen sind schon durchgebrochen in eine neue Welt. Das sind harte Zeiten gewesen.
Und du hast die begleitet, auch bewusst, im Sinne von, dass du dir dann auch nach dem Unterricht manchmal noch jemanden zu dir geholt hast, mit jemandem gesprochen hast?
Wir hatten lange Zeit noch ein Internat, das man später dann aufgelöst hat, weil ja die Busse dann regulär gefahren sind. Also die Schulbusse? Schulbusse, ja. Und ich habe dann abends ja immer im Rektorat gearbeitet. Und da sind oft die Internen gekommen, sind bei mir auf dem Teppichboden gelegen, haben untereinander diskutiert, mit mir diskutiert. So haben wir die Abende oft miteinander verbracht, so zwangslos.
Also sehr gemeinschaftlich? Ja, ja, ja. Und da sind viele Dinge rausgekommen. Und viele Dinge sind rausgekommen, wenn Kinder krank werden.
Ich habe mir angewöhnt gehabt, dass ich die zu mir ins Büro genommen habe, so wenn einer schlecht war oder Grippe bekommen hat. Und dann habe ich gesagt, schlafe mal eine halbe Stunde hier. Und dann haben sich meistens die Gespräche angebahnt, warum sie krank sind, was nicht mehr passt, warum sie unter Umständen nicht heimgehen wollen jetzt.
Also sozusagen fiebrige Gespräche. Ja, ja, ja. Und es war interessant, so junge Menschen über Jahre zu begleiten, wenn sie dann erwachsen geworden sind. Ja. War schön. Die Abschlussfeier war immer das Allerschönste. Da sind dann diese Damen toll da gestanden. Dann hat man sich gedacht, puh, was ist da passiert jetzt?
In den vergangenen 70 Jahren hat sich in Deutschland, die Art des Zusammenlebens durch die Veränderung unserer Gesellschaft stark verändert. Es gab früher sehr viele Drei-Generationen-Haushalte. Die gibt es so gut wie gar nicht mehr. Also dass Drei Generationen einer Familie unter einem Dach leben. Derzeit gibt es doppelt so viele Einzelhaus- oder Singlehaushalte wie noch vor 70 Jahren. Und das ging zuletzt wieder aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. In ganz Deutschland gibt es inzwischen 17 Millionen Haushalte, wo die Menschen alleine leben. Das sind 41 % der Gesamthaushalte. Also nicht ganz, aber doch nahe an der Hälfte.
Das teilt sich etwas auf im Land nicht so stark wie in der Stadt.
Aber in den Städten ist es natürlich sehr viel stärker. ich möchte es jetzt gar nicht werten, ob das Leben allein erfüllter ist oder in Gemeinschaft. Aber eben die Gesellschaft hat sich radikal verändert. Und wie bekommst du diese Veränderung in deinem Leben im Kloster mit? Also da seid ihr ja eigentlich außen vor, kann man sagen.
Nein, sind wir auch nicht. Auch die Tendenz zum Abschotten ist auch im Kloster etwas stärker geworden. Sein eigenes individuelles Leben zu leben, spüre ich auch im Kloster. Früher ist es rigoroser gewesen und bei den Frauen sowieso. Ich hätte fast gesagt, der Gehorsam der Frauen ist ja früher viel stärker eingefordert worden. Nicht nur bei uns im Kloster, sondern auch in der Familie, in der ganzen Gesellschaft. Und diese Auflösung, dass die Frauen selbstbewusster werden, spüren wir auch positiv und manchmal auch aneckend negativ im Kloster. Das kann ja durchaus sein.
Es schlägt sich sozusagen diese Veränderung der Gesellschaft, der Lebensgewohnheiten auch im Kloster nieder, durch diese, wie gesagt, etwas verstärkte Individualisierung auch im Kloster. Was kriegt man denn im Kloster trotzdem auch von der Welt draußen von diesen Veränderungen noch mit? Diskutiert ihr auch darüber, wie sich eine Gesellschaft verändert in eurer Gemeinschaft, über solche Prozesse, auch dann natürlich teilweise politische Prozesse? Viele Menschen, das wissen wir ja, fühlen sich dann auch alleingelassen, auch mit ein Grund für den Populismus, der dann entsteht, durch bestimmte politische Strömungen, die dadurch an Kraft gewinnen. Inwieweit sprecht ihr darüber?
Also wir sind ja ein sogenannter Aktiver Orden. Das heißt, jede von uns hat irgendwelche Bezüge nach draußen. Ich sage immer, das Wort draußen, wir sind ja eigentlich selber draußen. Man muss es gar nicht. Aber klar, es ist manchmal hilfreich in der Bezeichnung dieses Drinnen und Draußen. Obwohl es ein Drinnen draußen ist. Gar nicht gibt. Jede hat Bezüge, nicht nur Bezüge, sondern arbeitet auch in irgendeiner Art und Weise mit am Draußen. Ich mache zum Beispiel Fotoausstellungen und jede von uns ist irgendwie noch beschäftigt. Auch die Älteren noch mit draußen. Und wir reden durchaus untereinander darüber, was los ist. Also es geht nicht an uns vorbei. Und wir haben Fernsehen, Internet, Zeitungen. Ich lese jeden Morgen die Zeitung aus der Umgebung. Ich sehe, was in der Gemeinde los ist, was im Landkreis los ist. Das ist gängig.
Die Einsamkeit der Menschen ist ein Problem unserer Zeit. Also die zunehmende Einsamkeit von Menschen. Und dieses Jahr wurde das erste Mal von der Bundesfamilienministerin Lisa Paus das erste Einsamkeitsbarometer für Deutschland veröffentlicht. Das fand ich einen sehr interessanten Schritt. Und mit ihm erfolgte eben erstmalig die umfassende Analyse des Einsamkeitserlebens der Bevölkerung, eine repräsentative Untersuchung, mit der eben auch dann repräsentative Aussagen zur Einsamkeitsbelastung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen getätigt werden konnten. Und Lisa Paus sagt, Millionen Menschen in Deutschland fühlen sich einsam. Während der Pandemie hat dieses Gefühl stark zugenommen, das wissen wir. Seitdem hat es auch wieder stark abgenommen. Aber ältere und jüngere Menschen sind häufig betroffen, also weniger die in der Mitte. Außerdem Menschen, die intensive Care-Arbeit, also Sorgearbeit leisten, was ich auch sehr erschreckend finde. Also dass gerade die Menschen, die sich um andere sorgen, also der Gemeinschaft sehr helfen, dass die sich besonders einsam fühlen. Sehr, sehr erschreckend. Und sie sagt weiter, wir müssen uns der großen Herausforderung stellen, Einsamkeit gemeinsam anzugehen. Einsame Menschen nehmen seltener an Wahlen teil. Also es ist auch für die Demokratie ein Problem, was wir ja vorhin auch schon so ein bisschen angesprochen haben. Sie engagieren sich weniger natürlich für die Gemeinschaft. Und so bleibt Einsamkeit ein drängendes Problem und schadet uns als Gesellschaft. Und diese Einsamkeitsbelastung, die da natürlich auch statistisch noch veröffentlicht wurde, bei der Gesamtbevölkerung lag bei 11,3 Prozent. Das heißt, jeder Zehnte leidet wirklich unter Einsamkeit, was, finde ich, schon relativ viele sind. Wenn man sich so zehn Menschen vorstellt oder 100 Menschen, dann weiß man, okay, von diesen 100 sind zehn leidend unter Einsamkeit. Und das ist bei den 18- bis 29-Jährigen mehr. Da sind es 14,1 Prozent. Dann ist es immer relativ gleich. Bei den Älteren ist es auch ein bisschen mehr.
Also, wenn der Mensch alt wird, neigt er insgesamt ja zur Einsamkeit. Das ist ja in der Gesellschaft insgesamt so. Und ich glaube, das Wissen, dass das Leben sich neigt und dem Ende zugeht, erzeugt ja in sich schon Einsamkeit. Aber jede von uns ist versorgt, insofern, glaube ich, ist der Prozentsatz nicht so hoch bei uns wie im Allgemeinen. Aber mir fallen immer zwei Dinge ein zur Einsamkeit. Die Alten sind an den Rand gekommen, weil sie zum Beispiel die Digitalität nicht mehr so schaffen. Und ich beobachte es immer wieder, wenn ich auf ein Amt gehe oder mit älteren Menschen spreche. Sie wissen nicht, wie man sich einloggt, sie wissen nicht, wie man dieses Formular erledigt und so weiter. Das macht Einsamkeit, das macht Angst, dem nicht mehr gewachsen zu sein. Und bei den jungen Menschen, glaube ich, kommt dazu, dass sie die Vorbilder nicht mehr haben. Früher haben die Älteren dem Jüngeren automatisch Vorbilder gegeben, wie man das Leben schafft und sich einfädelt und durchkommt. Und durch die veränderte Situation heute sind die Jüngeren auf sich gestellt, wie schaffe ich es, in dieser digitalen, künstlichen Intelligenzwelt ins Leben hineinzukommen. Wie viel muss ich an mich heranlassen, wie viel soll ich aussperren, wie weit soll ich mich insgesamt in diesen Fluss hineingeben und vielleicht dann fast zerfließen in der großen Menge. Was muss ich wieder zurücknehmen, damit ich meine Einsamkeit und meine Ruhe und meinen Frieden wieder finde. Und da fehlen die Vorbilder. Und das schafft Einsamkeit, diese Überforderung. Und früher konnte halt ein Erwachsener sagen, hör mal, das magst du und so und so. Und das geht fast nicht mehr, weil die ältere Generation, die die guten Ratschläge gegeben hat, diesen Jungen nichts mehr raten kann.
Und wieso? Also eigentlich könnten wir, also ich gehöre ja auch zu älteren Generationen, könnten wir das ja, wird es nicht mehr angenommen und hat sich das so verschoben, diese eben, wie du sagtest, Vorbildfunktion von älteren Menschen, die dann Jüngeren auch aus so einem Alleinsein oder aus einer Einsamkeit heraushelfen?
Dieses Alleinsein in der medialen Welt, glaube ich, ist so schwer für die Jungen. Die Älteren haben auch selbst nicht gelernt, mit dem umzugehen, weil es nicht ihre Welt war in der Jugend. Ich meine, du erlebst das vielleicht selbst und ich auch. Soll ich jetzt das im Fernsehen noch anschauen, im Internet noch anschauen oder soll ich es nicht mehr anschauen oder gehe lieber ins Bett oder lese ich lieber ein Buch jetzt? Diese Abwägung, die wir ständig treffen müssen, die kann da vielleicht der junge Mensch noch nicht so. Und dann wird es ihm zu viel, dann wird er überfordert.
Die Bundesregierung hat deswegen jetzt auch basierend auf diesem Einsamkeitsbarometer eine Institution gegründet und eine Kampagne gemeinsam gegen Einsamkeit wurde gestartet. Und es gibt jetzt das Kompetenznetz Einsamkeit, geleitet durch das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Ist es deiner Ansicht nach ein richtiger Weg, sowas auch politisch, gesellschaftlich durch so eine Institution eben zu institutionalisieren, diesen Kampf gegen Einsamkeit? Oder was kann man deiner Ansicht nach tun, um dem entgegenzuwirken?
Ist bestimmt notwendig, aber ob es erfolgreich sein wird, weiß ich nicht. Ich denke, aus der Einsamkeit führen eigentlich nur stabile, verlässliche Beziehungen zu Menschen heraus. Wenn ein Mensch, diese nicht aufbauen kann aus irgendwelchen Gründen, bleibt er einsam und verlassen. Stabile Beziehungen, die lange, lange, vielleicht sogar ein Leben lang halten, muss nicht immer der Partner sein. Es können Freunde sein, es können Gleichgesinnte sein, die man im Leben braucht.
Und die führen aus der Einsamkeit heraus. Dieses Vertrauen, wenn ich einsam bin oder wenn es mir nicht gut geht, da gibt es welche Menschen, auf die kann ich zugehen.
Der Soziologe und Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz hat 2017 das Buch »Die Gesellschaft der Singularitäten« veröffentlicht.
Ich weiß nicht, ob du es gelesen hast. Ja, doch, habe ich. Gelesen nicht, aber geblättert.
Gehört davon. Sehr, sehr interessantes, teilweise auch umstrittenes Buch. Und wir können hier jetzt keine Gesellschaftsanalyse betreiben, wie Reckwitz das versucht. Aber klar ist, dass die modernen westlichen Gesellschaften vor allem durch die schon angesprochene Digitalisierung einem radikalen Strukturwandel unterworfen sind. Vereinfacht ausgedrückt, die Digitalisierung bedeutet Vereinzelung. Also jeder ist im Netz allein. Und Verunsicherung. Und Verunsicherung. Wie geht ihr denn als Orden mit diesem Wandel um? Also ist zum Beispiel dieser Podcast jetzt, der ja eine Möglichkeit bietet, in Dialog zu treten, also auch durchs Anhören, so eine bewusste Form dieser Vereinzelung entgegenzutreten? Gibt es noch andere vom Orden jetzt, also nicht nur von eurem kleinen Klostergemeinschaftsleben, gibt es da noch andere Überlegungen, eben in die Gesellschaft hinein zu wirken? Du sagst ja vorhin, ihr seid ein aktiver Orden.
Also uns ist klar, dass unsere Botschaft, die wir mitteilen möchten, nämlich die religiöse Botschaft, das heißt zu sagen, Mensch, du bist ein geliebtes Wesen von Anfang bis Ende. Das ist ja eigentlich die Botschaft, die wir mitteilen wollen. Dass die mit der Sprache, die wir bisher hatten, nicht mehr mitteilbar ist. Die verstehen sie nicht mehr. Es ist out, sagen wir mal kurz und bündig. Und diese Sprache und die Methoden müssen total geändert werden, um die Menschen zu erreichen und eben aus dieser Einsamkeit, du bist ein verlorenes Wesen, wieder herauszuholen, zu helfen.
Du bist kein verlorenes Wesen, du bist ein geliebtes von Anfang bis Ende, müssen wir anders sprechen. Und der Podcast ist zum Beispiel eine Möglichkeit, den Menschen zu sagen, ist es gut, dass du da bist. Du bist am richtigen Platz, du bist der richtige Mensch und du hast eine Zukunft für dein Leben. Und da gibt es verschiedene Methoden. Ich halte zum Beispiel Einkehrtagen, gehe zu Menschen, die etwas in dieser Hinsicht hören wollen. Es gibt Begleitungen, geistliche Begleitung. Es gibt Exerzitien, nennen wir das, ein Wort, das auch nicht mehr so geläufig ist. Retreat sagt man dann lieber. Die verschiedenen Schwestern geben verschiedene Angebote, um Menschen dort zu erreichen, wo sie jetzt sind, wo sie früher nicht waren.
Und wenn du solche Einkehrtage, hast du gesagt, unternimmst, beziehungsweise anbietest, wie muss man sich das vorstellen? Es sind Menschen, die kommen zusammen, die möchten etwas hören, aber die möchten nicht unbedingt strikte Religiosität hören. Es ist vorbei. Etwas von einem selber, wie schafft man sein Leben, wie ist der Lebenssinn erfüllt, wie kommt man dazu, eine positive Perspektive im Leben aufzubauen, die auch hält bis zum Lebensende und vielleicht darüber hinaus. Dies zu vermitteln.
Also das ist dann eben ohne missionarischen Gehalt, gewissermaßen. Sondern es ist ganz frei, und da kann jeder hinkommen. Also auch Menschen, die nicht religiös sind und denken, leben.
Manchmal werde ich schon gefragt, ich bin jetzt nicht katholisch, kann ich überhaupt mit Ihnen reden oder mit dir reden? Darf ich mit Ihnen reden? Du bist ein geschaffener Mensch, wie ich auch. Und meine Ansicht ist, Gott hat dich geschaffen, da passt er auch auf dich auf. Das muss ich nicht machen. Aber wir reden drüber.
Wir haben es vorhin schon erwähnt, dieses Alleinsein, dieses auf sich selbst gucken, ist wichtig für das eigene Seelenheil. Man muss nicht immer alles in Gemeinschaft machen. Und da gab es und gibt es immer noch große geschlechtliche Unterschiede. Und da würde ich auch gerne noch mit dir darüber reden. Weil Frauen, die allein unterwegs sind, nenne ich jetzt mal so, die werden oft so ein bisschen schräg angesehen. Also als würde denen was fehlen. Und bei Männern ist die Wahrnehmung eine andere. Wenn ein Mann allein unterwegs ist, wird es immer als Zeichen der Kraft und der Stärke interpretiert. Und bei Frauen eben nicht, was vollkommen irrational ist. Aber irgendwie aufgrund unserer Gesellschaft, so gewachsen über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte, du hast gesagt, du bist gerne alleine, du bist auch viel allein unterwegs. Wie sind deine Erfahrungen in diesem Bereich des Alleinseins in der Gesellschaft?
Das hat sich Gott sei Dank positiv geändert. Also ich kann mich erinnern, früher, ich gehe ja sehr gerne in die Berge. Da gehe ich manchmal rein und nach drei Tagen komme ich irgendwo wieder raus. Über Nacht auf den Hütten irgendwo. Und da ist man immer wieder begegnet, dass ich Männern begegnet bin allein. Also wenn ich allein war, Männer, die dann völlig erstaunt gesagt haben, eine einzelne Frau, was soll denn das? Ist keiner mit dabei? Oder einfach so irritierte Fragen. Und das hat mich eigentlich immer fast beleidigt. Ja, das ist ja auch beleidigend. Ja, aber das hat sich jetzt geändert. Das kommt jetzt weniger mehr vor. Es gibt noch die erstaunten Blicke, wenn man allein unterwegs ist. Wenn man allein essen geht, das ganze Raum voll ist und mit Paaren oder mit Familien. Und man setzt sich allein am Tisch und isst allein. Man merkt, dass es dann eine gewisse irritierte Blicke geben kann. Aber es ist doch wesentlich besser geworden.
Wobei, das kenne ich als Mann auch, dass, wenn ich allein in ein Restaurant gehe, dass das so ein bisschen ein merkwürdiges Gefühl ist, weil die meisten Leute in dem Restaurant sind zu zweit, zu dritt, zu viert, in der Gruppe, wie auch immer. Und wenn ich da allein sitze, falle ich auf. Also dieses Prinzip, dass man auch in der Gesellschaft oder in der Gemeinschaft allein sein kann, finde ich, ist bei uns nicht irgendwie besonders erlernt. Also wie du das vorhin mal so schön beim Beten ausgedrückt hast, dass jeder für sich betet und trotzdem ist man zusammen. Also müssen wir da auf eine Art mehr darauf gucken, dass wir das Alleinsein auch als Seinszustand in der Gemeinschaft etablieren?
Ich vermute, dass da immer gleich was dahinter stecken könnte, zu denken, bei dem ist was schief gelaufen bei den Menschen, sonst wäre er doch nicht allein. So was gibt es doch gar nicht. Vermute ich fast. Ist doch ein ganz seltsames Denkmuster. Ja, dann schaut man hin, um vielleicht zu ergründen, was mit den Menschen los ist, warum er allein ist. Und ich denke da an Dominikus, unser Gründer, unser Ordensgründer, der hat auch seine Brüder nur zu zweit ausgeschickt, niemals allein. Das war das Normale für ihn, aber durchaus der Dominikaner und die Dominikanerinnen waren auch Einzelwesen und Einzelkämpfer. Es ist also beides aufgetreten. Der Mensch ist ein Einzelwesen und ein Sozialwesen. Genau.
Und das hat sich auch immer in der Populär- oder in der Popkultur gespiegelt. Also es gibt ja berühmte Bücher, Filme, Theaterstücke, wo eben der Mensch als allein gezeigt wird. Und es gibt diese Stücke, Filme, Bücher, wo eben der Mensch immer zusammen mit einem anderen auftritt. Und je nachdem, in der Gewichtung wird es ja dann auch das eine oder das andere problematisiert oder gefeiert. Also dieses Prinzip der Dualität und der Singularität durchzieht ja einfach unser Sein.
Und das Beziehung finden ist ja das Interessante an der ganzen Geschichte. Die ganzen Filme oder Bücher und so weiter, wenn man sie liest und anschaut, die Filme, sind ja fast immer Geschichten der Beziehung. Wie kommt es zu Beziehungen zwischen alleinstehenden, kompletten, in sich ruhenden Menschen unter Umständen und einem anderen oder solchen, die nicht alleinstehen können. Das gibt es ja auch, genau. Es geht immer um Beziehungsanbahnung oder Beziehungsprobleme oder Beziehungsende.
Und wie sie halten dann diese Beziehungen. Ja.
Ich würde mit dir ganz gerne noch über Fotografie reden. Das haben wir ja beide gesagt, dass wir fotografisch tätig sind. Wir machen beide Ausstellungen. Da ist das Alleinsein für mich zumindest als Fotograf eminent wichtig. Also ich könnte gar nicht fotografieren, wenn ich mit jemand anderem zusammen bin. Ich brauche dieses Alleinsein, vielleicht sogar fast auch manchmal eine Einsamkeit, um fotografieren zu können. Also, dass ich bei mir bin. Dass ich unter Umständen auch mit meinen Problemen oder Gedanken bei mir bin. Und das Fotografieren ist dann fast schon eine Form auch von Therapie. Also anders auf die Welt blicken, wie du das vielleicht vorhin auch gesagt hast. Also dieses aktive Warten. Wenn ich ein Motiv suche in der Natur oft, dann ist es ja oft ein Warten. Dass das richtige Licht da ist. Dass der richtige Moment kommt. Du fotografierst vor allem die Welt im Kleinen. Man nennt es Makrofotografie. Das heißt, du fotografierst Blüten im Tau oder kleine Gräser, die einen Reifüberzug haben. Was findest du in dieser Welt des Makrofotografierens?
Also erstens muss ich dich bestätigen, ich lasse die Kamera zu Hause, wenn ich mit jemandem unterwegs bin. Das ist chancenlos. Das ist so eingreifend in diesen Flow, den man hofft zu erreichen, dass man gar nicht anfangen kann, wenn jemand mit dabei ist. Wenn ich etwas sehe, was ich fotografieren möchte, dann ist es wie ein Austausch. Ich kann fast sprechen mit dem, so kommt mir das vor. Ich trete in einen seelischen Austausch mit diesem Objekt und gehe dann drumherum, schaue es mir an, komme wieder und es schaut in fünf Minuten wieder anders aus. Ich warte auf das Licht und dann tritt eben dieses ein, das, was wir Fotografen Flow nennen. Es fängt irgendwas zu fließen an zwischen dem und mir und insgesamt und das ist für mich auch Therapie. Ich gehe dann immer ganz beglückt und zufrieden und erlöst wieder nach Hause, nach dem Fotografieren. Und wenn ich dann die Bilder im Computer bearbeite, dann erinnere mich, was habe ich denn gesehen, was habe ich gefühlt dabei. Ich möchte dieses Fühlen, das ich gefühlt habe in dem Moment, hier in dem Bild wiederfinden.
Was fühlst du denn dann, wenn du fotografierst in diesen Motiven und in den Bildern davon? Ist es mehr so ein Gefühl von Alleinsein, von Einsamkeit oder von Verbundenheit?
Erst einmal ist es diese wunderbare Natur, die mich immer wieder fasziniert. Wenn ich eine Sonnenblume anschaue, diese Symmetrie, das kann man gar nicht beschreiben, wie wunderbar das ist. Und dieses Wunderbare führt mich auch immer natürlich auf den Schöpfer zurück, der das alles geschaffen hat. Und wo ich dann das Gefühl habe, es ist alles gut. Ich weiß zwar, die Sonnenblume wird auch sterben, ich werde auch sterben, aber der Geist, der dahinter steht, der das geschaffen hat, der bleibt. Und so ist es gut.
Wie oft fotografierst du denn? Also diese Freiräume, die man braucht fürs Fotografieren, die muss man sich ja auf eine Art auch schaffen. Fotografierst du einfach jeden Tag? Gibt es da quasi wie beim Gebet? Fotografieren ist, finde ich, manchmal fast wie ein Gebet, weil man sich ja einer anderen Welt zuwendet, sehr intensiv, sehr leidenschaftlich. Kann man da sagen, du gehst jeden Tag, was weiß ich, zu einer bestimmten Uhrzeit, vielleicht auch nach Jahreszeit, dann ein bisschen alternierend raus und fotografierst eine Stunde lang?
Also ich habe mir, nachdem ich die Schule verlassen habe, angewöhnt, dass ich morgens immer losgehe und wir haben da glücklicherweise in ganzer Nähe einen wunderbaren See und die Berge und eine natürliche Natur noch. Und da ist immer die Kamera unter meinem Arm und die Nachbarn, die mich sehen, die sagen immer, aha, aha, sagen sie immer, wissen wir schon, was sie jetzt tun. Und es ist fast jeden Tag. Wenn die Zeit es erlaubt, ist es fast jeden Tag. Und manchmal komme ich ohne Foto heim, macht ja auch nichts. Und manchmal komme ich, bringe ich 20 oder 30, manchmal 100 heim.
Also dieses Alleinsein ist dann eben ein Moment auch der Kreativität, also der Auseinandersetzung mit der Welt. Wie setze ich sie ins Bild? Und wenn man die Bilder ausstellt, ist es ein Akt der großen Kommunikation, kann man sagen. Die Bilder, die ich mir anschaue, die sind immer erfreut, wie schön die Natur ist. Und ich kann es dann nicht zurückhalten, dass ich dann auch manchmal sage, der Vogel, den ich da zum Beispiel fotografiert habe, der ist mindestens 130 Millionen Jahre Bürger dieser Erde. Und wir sind es 100.000 Jahre vielleicht. Der hat genauso ein großes Bürgerrecht oder vielleicht ein älteres als ich schon auf dieser Erde.
Wir sind jetzt quasi schon im Kloster Schlehdorf angekommen, wo du lebst.Seit wie vielen Jahren?
Genau 57 Jahre.
Also eine ganz lange Zeit deines Lebens. Im Kloster Schlehdorf hat es gewaltige Veränderungen gegeben in den letzten Jahren, nachdem es für die damals noch verbliebenen, 30 waren es, glaube ich, oder um die 30 Dominikanerinnen, zu groß geworden war, habt ihr beschlossen, gemeinschaftlich den Verkauf. Und ihr seid dann 2018 in ein Haus, was ihr gebaut habt, in ein sozusagen kleines Kloster daneben gezogen. Und die Wogeno, das ist eine Münchner Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches gemeinsames Wohnen, die hat das Klostergebäude gekauft und ist dann nach Umbau und so weiter dort eingezogen mit verschiedenen Mitgliedern, einzelnen Menschen, Familien etc. Und ihr wohnt ja nebenan und habt auch immer noch in Teilen Zutritt zu eurem alten Kloster. Und da würde mich interessieren, wie blickst du denn auf dieses genossenschaftliche Leben? Hat das auch was klosterähnliches oder ist das ganz anders?
Also erst war uns eigentlich klar, wir sind ja selber so eine Art Genossenschaft. Wir nennen uns zwar nicht Genossenschaft, aber die Lebensweise ist ja genossenschaftlich. Uns war klar, der Verkauf, wenn es irgendwie glückt, soll er wieder genossenschaftlich sein. Gut oder Besitz, der genossenschaftlich gepflegt worden ist, soll wieder in Genossenschaft übergehen und nicht in Einzelbesitz. Und so ist es auch mit der Wogeno Gott sei Dank geglückt. Wir hatten beim Verkauf 40 Bewerber, die weiß Gott was mit dem Haus machen wollten. Und die Wogeno war einer der Zufallsgriffe dann.
Also ihr hattet nicht nur genossenschaftliche Bewerber, sondern alle möglichen Investoren, was weiß ich, Privatleute.
Ja, das war die Zeit, wo wenig Zins war, Zins gegeben hat, so dass viele mit dem Kapital einfach zugreifen wollten damals. Und die Wogeno hat den schönen Satz gesagt, wir geben diesem Haus eine Zukunft. Und was noch viel schöner war in dem Haus ist ja eine Schule, unsere frühere Schule. Und die haben wir bereits an die Diözese in der Trägerschaft gegeben. Und so war es uns auch immer wichtig, dass ein neuer Besitzer sagt, ganz deutlich ausdrückt, die Schule darf bleiben.
Also die gibt es nach wie vor? Die gibt es nach wie vor, ja. Und die wird aber nicht mehr von euch betrieben, sondern?
Von der Diözese. Das Haus ist Eigentum der Wogeno, aber die Diözese ist der Mieter, kann man so sagen. Insofern ist es für uns ein geglückter Fall gewesen. Es ist eine Genossenschaft, die Schule darf bleiben und unsere Arbeit hat somit auch eine Zukunft. Und darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut. Und was dann an Menschen gekommen sind, die wir dann kennengelernt haben, war auch sehr interessant.
Nämlich?
Viele Alleinstehende waren dazwischen, auch einige Familien. Neuerdings auch ältere Menschen, die da dazukommen, sie dürfen sich ja einmieten. Und die Struktur des Hauses musste ja bleiben, auf denkmalgeschützten Gründen, sodass es Clusterwohnungen gibt. Das heißt, immer mehrere zusammen. Wir haben Gemeinschaftsräume und Zimmer. Unsere kleinen Zellen, wie wir früher gesagt haben, sind ihre Schlafzimmer oder ihre Arbeitszimmer auch.
Also ihr erlebt jetzt quasi Genossenschaft neben Genossenschaft. Also die Glaubensgenossenschaft und die ökologische soziale Genossenschaft. Gibt es denn viel Verbindungen zwischen euch? Dass die Leute aus der WOGENO auf euch zukommen und sagen, wie lebt ihr eigentlich? Oder was macht ihr? Warum glaubt ihr an Gott? Und andererseits, dass ihr zu denen geht und fragt, was bringt euch euer Leben? Oder was beseelt euch?
Es gibt noch rege Kontakte immer wieder. Gestern Abend zum Beispiel haben die aus der WOGENO Adventsingen veranstaltet. Und da bin ich hingegangen noch am Abend. Es gibt Freundschaftskontakte und so weiter. Und es ist für uns sehr spannend, das zu beobachten, was da läuft. Und ich denke, der wesentliche Unterschied ist halt, dass wir ein gemeinsames Ziel hatten, eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinsame Spiritualität. Und die kann man ja von Genossen nicht unbedingt erwarten. Insofern haben dann auch ihre Probleme, es gemeinschaftlich zu verwalten.
Ich würde gerne auch noch auf eure Probleme zu sprechen kommen. Das hat natürlich auch mit unserem Thema des Alleinseins oder der Einsamkeit zu tun. Ihr werdet immer weniger. Das heißt, ihr seid mehr und mehr allein oder auf euch gestellt, auf immer weniger Nonnen, die im Orden der Missionsdominikanerinnen leben wollen. Wie kümmert ihr euch um Nachwuchs? Gibt es Nachwuchs? Wie seht ihr eure Zukunft?
Nachwuchs haben wir keinen mehr, schon viele Jahre. Und durch den Alterungsprozess macht es auch keinen Sinn mehr, junge Menschen bei uns speziell aufzunehmen. Es gibt durchaus noch Orden, auch Dominikanerinnen, die Nachwuchs haben. Bei uns ist er nicht mehr da. Hängt auch mit unserer Struktur zusammen, weil wir eigentlich ein sogenanntes Missionskloster waren. Unsere meisten Schwestern sind ja nach Südafrika gegangen. Zurückgeblieben ist eigentlich nur eine kleine Gruppe, die das Eintrittshaus, das Aussendungshaus unterhalten hat. Insofern sind wir schneller weniger geworden in Schlehdorf.
Und du warst eine derjenigen. Du warst, glaube ich, nie in Südafrika, oder wenn dann nur kurze Zeit.
Ich habe die deutsche Ausbildung. Man muss sagen, ein Mädchen, das in der Landwirtschaft groß geworden ist. Und da hat man früher gesagt, Mädchen, junge Frauen brauchen keine Ausbildung, keine Berufsausbildung. Insofern bin ich dann erst später ins Kloster gekommen. Und dort habe ich die ganzen Ausbildungen erst absolviert. Und mit diesen deutschen Ausbildungen bin ich dann in Deutschland geblieben. Die hätten in Südafrika wahrscheinlich wenig anfangen können damit.
Wir kommen zum Schluss unseres, finde ich, sehr inspirierenden Gespräches. Und ich würde gerne mit dir nochmal so eine Art Fazit ziehen, wie man mit Einsamkeit umgehen kann und wie man das Alleinsein gestalten kann. Ich glaube, wenn man Alleinsein gestalten kann, dann kann man schon Einsamkeit zu einem großen Teil vermeiden.Einsamkeitsgefühle, würdest du dem zustimmen?
Dem würde ich zustimmen, aber ich muss noch mal sagen, es braucht stabile Kontakte, Beziehungen im Leben, Freundschaften. Wir pflegen auch im Orden stabile Freundschaften. Ich bin befreundet mit Schwestern seit 50 Jahren, mit denen ich zusammengearbeitet habe.
Wenn du so von diesen stabilen Beziehungen sprichst, die dir helfen, also die du seit Jahren oder Jahrzehnten hast, dann frage ich mich natürlich, für viele ist es ja anders. Also die haben Schwierigkeiten, eine Beziehung stabil zu halten oder überhaupt eine Beziehung zu kreieren. Also es gibt ja Menschen, die ohne Freunde sind. Was kann man denen sagen?
Eine Beziehung aufzubauen ist schon eine sehr schwierige Sache für einen Menschen, weil wir neigen ja oft dazu, wenn ein Mensch mit mir in Kontakt tritt, zu denken oder zu fühlen, der müsste so ähnlich sein wie ich oder genauso wie ich. Und wenn er sich dann ganz anders zeigt, dann ist man veranlasst, das Ganze wieder aufzugeben, hinzuwerfen einfach. Das Anderssein des Anderen auszuhalten, nicht nur auszuhalten, sondern es zu bejahen und einzubauen in die Beziehung, das ist das ganz Wesentliche, um eine Beziehung zu schaffen, die dauerhaft ist. Jeder muss sich im Anderen angenommen fühlen. Und wenn einer, sobald einer das Gefühl hat, der andere möchte mich ändern, ist es ja eigentlich schon vorbei in der Beziehung.
Also das, was man Beziehungsarbeit nennt, was viel mit Toleranz zu tun hat, auch mit dem eigenen, auch mal zurücktreten.
Das Wertschätzen des Anderssein des Anderen, das ist das Wesentliche. Nicht nur aushalten und sagen, ich beiß die Zähne zusammen, ich werds schon überstehen, sondern sagen, der ist so und das ist prima und das passt so. Und wenn etwas auftaucht, was nicht passt, dann können wir zumindest darüber reden, damit ich verstehe, warum der andere anders ist.
Also ich denke, auch über diese Andersartigkeit des Anderen muss man viel offener und viel neugieriger letzten Endes reden.
Bereichernd. Die Andersartigkeit ist eine Bereicherung meines Lebens. Weil es bei mir nicht vorhanden ist, dann kann ich das aufnehmen und in mein Leben einfließen lassen.
Und gibt es dann da auch Beziehungen, die über das Klösterliche oder Religiöse hinausgehen für dich? Also genau so? Ja, durchaus. Gibt es gar keinen Unterschied? Nein, nein, gibt es keine. Also es gibt sozusagen säkulare Freunde? Ja.
Im Grunde sind ja alle Menschen mit den gleichen Problemen befasst. Den Sinn des Lebens, wie schaffe ich es, ein erfülltes Leben zu führen? Und diese Gemeinsamkeit, die kann man miteinander pflegen, besprechen, darüber diskutieren, darüber meditieren, möchte ich fast sagen. Und das tut gut. Das führt wieder aus Einsamkeit heraus.
Sie hörten mit anderen Worten zwei Welten im Gespräch.
Das waren heute ich, Moritz Holfelder, und Schwester Josefa vom Kloster Schlehdorf. Ja, die Folge Alleinsein des Podcastes der deutschsprachigen Dominikanerinnen. Schwester Josefa, vielen, vielen Dank.
Ganz meinerseits, Moritz. Es war gut mit dir und schön zu sprechen. Ebenso. Und ja, man sollte auch die anderen Folgen dieses Podcasts anhören. Alle befassen sich mit bestimmten Themen. Und ich finde, jede Folge ist absolut hörenswert. Also viel Inspiration beim Hören.
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